Auf dem Viehmarkt in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires sind rund 9000 Rinder in kleine Gatter gepfercht und muhen gestresst. Ihre letzte Reise steht noch bevor, die in den Schlachthof.
Auf Stegen hoch über ihnen begutachten Aufkäufer die Tiere. Die edelsten Stücke wie Filet, Entrecôte und Huft sind im Ausland gefragt, also sind Vertreter der Exportwirtschaft da. Aber auch die Repräsentanten von lokalen Supermarkt- und Restaurantketten.
Eine Glocke kündigt die Versteigerung der ersten Rindergruppen an. Die Preise pro Kilo Lebendgewicht schwanken um die 40 Peso oder rund zwei Franken. Der Wert ist gestiegen. Die Gründe: Weite Teile der Weiden sind überschwemmt, während in der Pampa gleichzeitig auch die Dürre zu schaffen macht.
Das beste Fleisch stammt aus der Provinz Buenos Aires. Und die Provinz ist so gross wie ganz Frankreich. Die klimatischen Verwerfungen hätten den Viehbestand reduziert, den Züchtern Verluste beschert, sagt der Versteigerer Alfonso Monasterio. Normalerweise dürften Tiere von weniger als 300 Kilo nicht verkauft werden, jetzt sei das zugelassen – für drei Monate, erklärt Monasterio.
Vor den Gehegen scheucht berittenes Personal die Tiere auf, damit sie sich bewegen und von den Käufern von allen Seiten beäugt werden können. Es handelt sich ausschliesslich um Jungtiere von rund zwei Jahren. Dass die Züchter sie auf die Schlachtbank stossen, ist eine Hypothek für die Zukunft. Denn sie werden in der Reproduktion fehlen.
Das Fleisch der jungen Tiere, die immer auf der Weide waren und nie einen Stall kennengelernt haben, ist begehrt. Zunächst in Argentinien, wo fast 90 Prozent der Produktion auf dem Grillrost landen. Wenn das Fleisch für den Heimkonsum fehlt, dann wird der Export geopfert, das ist die Praxis.
Wegen staatlich verordneter Marktmanipulation ist die letzte Staatspräsidentin, Cristina Kirchner, den Züchtern in besonders schlechter Erinnerung. Eine fatale Zeit, resümiert Ezequiel de Freijo vom Viehzüchterverband. Preisvorschriften für den Inlandkonsum, Exportsteuern, Kontingente und zuletzt Exportverbote hätten die Branche viel Substanz gekostet, sagt der Chefökonom der Sociedad Rural.
Viele hätten aufgegeben, der Rinderbestand sei von 60 Millionen auf unter 50 Millionen Tiere gesunken. Rindfleisch aus Argentinien ist rund um die Welt gefragt – nur ist es nicht immer zu haben.
Bundesrat Johann Schneider Amman hat am Samstag seine Reise durch Südamerika abgeschlossen. Es gebe Fortschritte beim Bemühen um ein Freihandelsabkommen mit der Schweiz und den Efta-Staaten, sagte der Wirtschaftsminister in Buenos Aires.
Eine Einschätzung von Ulrich Achermann:
Solange die Rohstoffe Rekordpreise einbrachten, hatte Brasilien kein Interesse, sich mit der kleinen Efta abzugeben.
Stark defizitäre öffentliche Finanzen dürften die Wende in Brasilien ausgelöst haben. Interessant ist die Efta-Vierländergruppe für den ganzen Mercosur auch, weil man sich mit ihr vielleicht schneller über den Freihandel einigen kann als mit der Europäischen Union: Denn mit der EU gibt es nach bald zwei Jahrzehnten Verhandlungen noch immer kein Freihandelsabkommen.
Bundesrat Johann Schneider Ammann sagt dazu: «Vielleicht kann man mit der Efta eine Lösung finden, die Guideline sein könnte, was mit der EU möglich ist oder nicht.»
Schon in ein bis zwei Jahren sollte sich zeigen, ob ein Freihandelsabkommen zwischen dem Mercosur und den Efta-Ländern inklusive Schweiz realistisch sei, meint Bundesrat Schneider Ammann. Sowohl bei der EU als auch bei der Efta stossen sich die Südamerikaner am abgeschotteten Agrarmarkt.
Bei Rindfleisch und Geflügel sind die Latinos konkurrenzlos stark. Und sie wollen ihre Produkte ohne oder mit viel tieferen Zollhürden als heute in den Efta-Raum liefern.
Bauern nicht verprellen
Analog der EU wollen die Efta-Länder ihre Fleischmärkte sehr behutsam öffnen. Die Rede ist davon, dass die Mercosur-Länder 2000 Tonnen Fleisch zusätzlich in den Efta-Raum liefern dürften, zu Vorzugskonditionen. Damit werde auch für die Bauern in der Schweiz die Kirche im Dorf bleiben, glaubt der Bundesrat.
Nach den Sondierungen von Johann Schneider-Ammann in Südamerika sollen bald Verhandlungen beginnen. Sollten sie erfolgreich abzuschliessen sein, bekämen die Efta-Länder Zugang zum einem Markt mit 260 Millionen Menschen. Das letzte Wort dazu hat in der Schweiz das Parlament oder allenfalls das Volk.