Fotos des Finanzministers im weissen T-Shirt mit dem Logo der «Freiheitstrychler» kursieren seit Sonntag in den sozialen Medien. Aufgenommen worden waren sie offenbar gleichentags an einem Ortsparteianlass der SVP Wald auf einem Bauernhof im Zürcher Oberland.
Trycheln gegen die Corona-Massnahmen. Das ist das Programm der Innerschweizer «Freiheitstrychler». Die Gruppierung vertritt also klar eine politische Position. Wenn ein amtierender Bundesrat ein Shirt dieser Gruppe anzieht, ist dies ein politisches Statement, eine gezielte Provokation.
Maurer gegen das Kollegialitätsprinzip
Bei den anderen Parteien kommt die Aktion des Finanzministers nicht gut an. Balthasar Glättli, Parteipräsident der Grünen, sagt dazu: «Ueli Maurer fällt mit diesem Verhalten deutlich dem Bundesrat als Kollegialbehörde in den Rücken. Ich denke wir wissen alle, dass jede Partei in der Schweiz gleichzeitig Oppositions- und Bundesratspartei sein kann. Das ist normal.» Man könne aber nicht gleichzeitig Bundesrat und Bundesratsgegner sein.
Glättli spricht das Kollegialitätsprinzip an, dass sich also alle Mitglieder des Bundesrats hinter die Beschlüsse der Landesregierung stellen. Dieses Prinzip verletze Ueli Maurer durch seinen Auftritt. Das sieht man nicht nur im links-grünen Lager so, sondern auch bei den bürgerlichen Parteien. Beat Walti ist der Fraktionschef der FDP im Bundeshaus. Er meint: «Ich finde solche Aktionen und Signale enttäuschend, für ein Mitglied einer Kollegialbehörde, die eine klar andere Strategie hat.» Natürlich dürfe jede Frau und jeder Mann seine eigene Meinung haben, aber hier derart andere Signale abzusetzen, fände er kontraproduktiv. «Das sollte gerade der Finanzminister als erster verstehen.»
Kontraproduktiv, weil der Bundesrat versucht, die Bevölkerung von der Corona-Impfung zu überzeugen – während die «Freiheitstrychler» die offiziellen Corona-Massnahmen ablehnen.
SVP verzichtet auf Stellungnahme
Ueli Maurer selbst wollte nicht Stellung dazu nehmen, weshalb er sich im Shirt der «Freiheitstrychler» fotografieren liess. Auch sein Finanzdepartement kommentiert den Auftritt nicht. Seine eigene Partei, die SVP, verzichtet ebenfalls auf eine Stellungnahme, wie Fraktionspräsident Thomas Aeschi schriftlich mitteilt.
Dass ein Bundesrat das Kollegialitätsprinzip verletze, sei nicht neu, erklärt Politikwissenschaftler Georg Lutz von der Universität Lausanne: «Es gab auch in der Vergangenheit immer wieder Fälle, da hat man einzelnen Mitgliedern des Bundesrates angemerkt, dass sie nur mit Unmut die Gesamtposition der Landesregierung vertreten. Wenn das nicht allzu häufig oder systematisch passiert, dann führt das nicht zu einer generellen Krise des Bundesrates.»
Politikwissenschafter: Provokationen nicht überbewerten
Man dürfe solche Provokationen also nicht überbewerten, so Lutz. Bei Ueli Maurer fällt jedoch auf, dass sich das Muster wiederholt. Seit Beginn der Pandemie gibt es immer wieder Momente, in denen er von der Bundesratslinie abweicht. Vor einem Jahr machte er mit einem anderen umstrittenen T-Shirt Schlagzeilen. Es trug die Botschaft: «Tell, wo bist Du? Die verfluchten Vögte sind wieder im Land.»
Ebenfalls eine Provokation. Seine Bundesratskolleginnen und -kollegen dürften daran keine Freude haben.