Aus dem Meer blau-gelber Fahnen sticht eine rote-weisse heraus. An einer Gedenkstätte in Kiew steckt seit Kurzem eine Schweizer Flagge. Wie Rundschau-Recherchen zeigen, ist zum ersten Mal ein Schweizer im Ukrainekrieg gefallen. Das Aussendepartement EDA bestätigt: «Die Schweizer Botschaft in Kiew wurde Anfang Jahr von der ukrainischen Armee informiert, dass offenbar ein Schweizer bei Kampfhandlungen ums Leben gekommen ist.» Das EDA stehe mit den Angehörigen des Verstorbenen in Kontakt.
Die Todesumstände sind unklar, zumal nicht bekannt ist, in welcher Einheit der Schweizer diente und in welchem Gebiet er stationiert war. Die ukrainische Armee gibt dazu keine Informationen bekannt. Der Schweizerischen Militärjustiz ist der Fall nicht bekannt, wie eine Sprecherin auf Anfrage erklärt.
Gefängnis droht
Wie viele Schweizerinnen und Schweizer in der Ukraine kämpfen, ist unklar. Die Militärjustiz führt derzeit 13 Strafverfahren wegen fremden Militärdiensts. In der Schweiz ist es verboten, sich einer ausländischen Armee anzuschliessen. Wer es trotzdem tut, muss mit einer Geldstrafe oder bis zu drei Jahren Gefängnis rechnen.
Jona Neidhart ist einer der Schweizer, die das bewusst in Kauf nehmen. Er ist vor einigen Wochen trotz laufendem Strafverfahren erneut in die Ukraine gereist, um sich einer Sturmbrigade der Armee anzuschliessen. Falls er den Krieg überlebt, will er in der Schweiz seine Strafe antreten. «Im Moment ist meine erste Priorität die Ukraine», sagt er. «Ich werde bleiben, solange es meine Gesundheit zulässt. Danach bin ich bereit, die Konsequenzen auszubaden.» Es wäre das zweite Mal, dass sich Neidhart stellt. Bereits im Juni 2024 liess er sich medienwirksam verhaften.
«Schweiz sollte diese Leute nicht verfolgen»
SP-Nationalrat Jon Pult findet es falsch, dass die Schweiz Ukrainekämpfer bestraft. Er fordert deshalb eine Amnestie. «Zwar ist es illegal, was diese Leute tun. Aber es entspricht den Werten der Schweiz, denn sie verteidigen die Demokratie und die Souveränität eines Landes. Deshalb sollten wir diese Leute nicht verfolgen.»
Pult hat dazu eine parlamentarische Initiative lanciert. Sie wird am Freitag in der Rechtskommission des Nationalrats behandelt. Dort sitzt Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy. Er ist gegen die Forderung. «Wir haben ein klares Söldnerverbot. Das sollten wir aufrechterhalten. Es wäre mit unserer Neutralität schwer vereinbar, wenn wir den Leuten erlauben, ins Ausland kämpfen zu gehen.»
In der Internationalen Legion der ukrainischen Armee kämpfen Freiwillige aus der ganzen Welt. Es ist bekannt, dass sich auch Rechtsextreme und Verbrecher darunter befinden. «Ich schätze, dass etwa 40 Prozent wegen des Geldes kommt», sagt ein Soldat, der lange freiwillig in der Ukraine gedient hat. «10 bis 20 Prozent sind Idealisten. 30 Prozent haben einen kriminellen Hintergrund - wobei viele von denen wieder aussortiert werden.»
Wie ist es, gemeinsam mit solchen Leuten zu kämpfen? In der Truppe spreche man kaum über die persönliche Vergangenheit oder über Politik, sagt der Schweizer Patrick Messmer, der im ukrainischen Militärgeheimdienst (GUR) als Drohnenpilot dient. «Wir haben einen Juden in der Einheit. Und der muss mit einem Neonazi zusammenarbeiten. Das ist nicht die beste Mischung. Und doch arbeiten sie zusammen, weil jeder weiss, dass es ohne den andern im Krieg nicht geht.»