Französisch oder Englisch – oder beides? Die St. Galler Regierung bezieht in ihrer Antwort auf einen politischen Vorstoss aus FDP-Kreisen klar Stellung: «Die Frage des Frühfranzösischs ist nicht auf kantonaler Ebene zu diskutieren, sondern in der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK).»
Thurgau, St. Gallen, Luzern …
Doch der Widerstand gegen das Frühfranzösisch wächst in mehreren Kantonen. In der Ostschweiz sind auch im Thurgau und in Appenzell Ausserrhoden Vorstösse eingegangen. So sollen «Fehlentwicklungen» korrigiert und «heisse Eisen» angefasst werden. Damit ist der Französischunterricht ab der fünften Primarschulklasse gemeint.
Auch in anderen Regionen der Schweiz, etwa in Luzern oder Bern, wachsen die Bedenken betreffend Frühfranzösisch. Schweizer Sprachenpolitik hin oder her, in der mit dem Zusammenhalt in der viersprachigen Schweiz argumentiert wird.
In der Ostschweiz, der Zentralschweiz und im Kanton Zürich wird ab der dritten Klasse Englisch unterrichtet. Französisch ab der Fünften. Ziel der EDK ist es, dass die Kinder bis Ende der obligatorischen Schule beide Sprachen vergleichbar gut beherrschen.
Ob die Schülerschaft die Ziele der EDK erreicht, ist umstritten. Eine systematische Auswertung der Uni Freiburg von Studien zu Französischlehrmitteln in den zweisprachigen Kantonen zeigt, dass Grundkompetenzen mehrheitlich erreicht werden. Mehr aber nicht.
Studierende sehen Vor- und Nachteile
Im Alltag sind die Meinungen geteilt. «Französisch erst ab der Oberstufe käme dann zum gleichen Zeitpunkt wie der Berufswahlprozess», sagt eine Studentin in einer kleinen Umfrage von SRF an der PH St. Gallen. Das würde fürs Frühfranzösisch sprechen. Dagegen spreche – da sind sich die meisten angesprochenen künftigen Lehrpersonen einig – dass zwei Fremdsprachen in der Primarschule eine Belastung für leistungsschwächere Kinder sein kann.
Je früher ein Kind eine Fremdsprache lernt, desto einfacher lernt es die Sprache.
Entwicklungspsychologisch sei das Frühfranzösisch sinnvoll, sagt Rita Krainer. Sie ist an der PH St. Gallen Französischdozentin und Mitglied des Instituts für sprachliche und literarische Bildung. Für sie ist klar: «Je früher ein Kind eine Fremdsprache lernt, desto einfacher lernt es sie.»
Bis zum zwölften Lebensjahr würden die Kinder Sprachen viel intuitiver lernen und hätten auch ein natürliches Sprachgefühl. «Kinder sind sprachlich flexibel», so Krainer. Ihr Gehirn sei in frühen Jahren zudem besonders anpassungsfähig.
Vorteil für die Mathematik
Rita Krainer ist überzeugt, dass Kinder, die früh mehrere Sprachen lernen, damit auch das logische Denken schulen. Das sei wiederum ein grosser Vorteil für Fächer wie Mathematik. Differenzierung im Unterricht sei allerdings das A und O. Die Voraussetzungen der Kinder seien unterschiedlich. Das Bildungsniveau der Eltern spielt dabei ebenso eine Rolle, wie das Umfeld, in dem sie aufwachsen.
Schon vor zehn und zwanzig Jahren wuchs in mehreren Kantonen der Widerstand gegen das Frühfranzösisch oder zumindest gegen zwei Fremdsprachen auf der Primarstufe.
Der Thurgauer Grosse Rat wollte zum Beispiel 2016 das Frühfranzösisch abschaffen und löste damit eine schweizweite Diskussion aus. Er schwenkte im letzten Moment um, weil die Regierung Verbesserungen im Unterricht versprach, wie Halbklassenunterricht, ein neues Lehrmittel oder einfachere Dispensierungen.