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Fussgänger mit Handy Die «Smartphone Zombies» werden zum Unfallrisiko

Unfälle wegen Unachtsamkeit nehmen zu. Eine Ursache dafür könnte der Blick aufs Handy sein. Jetzt reagiert die Polizei.

Der Bahnhofplatz Basel ist einer der meistfrequentierten Verkehrsknotenpunkte der Schweiz: Trame, Busse, Velos und Fussgänger kreuzen sich hier täglich. Wer aufs Handy schaut oder Musik hört, kriegt von den Gefahren kaum etwas mit. Die sogenannten «Smartphone Zombies» stellen für Tramführer eine grosse Herausforderung dar.

Andrea Guinea, Teamleiterin Tram BVB, bestätigt die steigende Unachtsamkeit: «Der Wildwuchs nimmt stetig zu: Die Leute gehen einfach noch schnell vorne durch und rechnen den Bremsweg nicht ein.»

Tatsache ist: Wenn die Augen auf den Bildschirm gerichtet sind statt auf den Verkehr, kann schnell etwas passieren. Um Jugendliche für diese Gefahren zu sensibilisieren, trainiert die Lausanner Polizei diese Woche mit ihnen in einem Verkehrsgarten.

Ein Drittel wegen Unachtsamkeit

Anne-Sophie Stoll, Präventionsleiterin der Verkehrspolizei Lausanne, stellt klar: «Wir wollen die acht- bis fünfzehnjährigen Kinder nicht stigmatisieren. Wir haben in allen Altersgruppen immer mehr Leute, die beim Gehen auf ihr Smartphone starren.» Das betreffe alle. «Zwischendurch mal kurz auf den Bildschirm gucken ist ok, aber mit der nötigen Vorsicht.»

2018 sind im Kanton Waadt über 2000 Menschen im Strassenverkehr verunfallt, davon 257 Fussgänger. Insgesamt sinken die Zahlen. Aber die Unfälle aufgrund von Unachtsamkeit steigen: Letztes Jahr war ein Drittel darauf zurückzuführen.

Bei Fussgängern bleibt die Zahl der Todesopfer stabil

Gemäss Laurent Pignot, Sprecher des TCS, ist das Smartphone ein Element, das die Menschen ablenken kann. Betroffen seien sowohl Autolenker als auch Fussgänger. «Ein Moment der Unachtsamkeit kann einen schweren Unfall nach sich ziehen.» Unachtsamkeit und Ablenkung seien in der Schweiz Unfallfaktoren Nummer eins. «Die Fussgänger müssen mehr Aufmerksamkeit bekommen, da sie die verletzlichsten Akteure sind.»

Nationale Feldstudie an Verkehrs-Brennpunkten

Schweizweit gab es in den letzten Jahren insgesamt immer weniger Verkehrstote, bei den Fussgängern aber bleibt die Zahl mit jährlich rund 50 Todesopfern stabil. Die Ablenkung durch das Handy ist eine mögliche Erklärung dafür, wobei noch keine verlässlichen Zahlen vorliegen. Deshalb plant die Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) eine nationale Feldstudie.

Die Studienleiterin Patrizia Hertach erklärt das Vorgehen: «Wir wollen das Verhalten von verschiedenen Verkehrsteilnehmern anschauen, unter anderem das von Fussgängern.» Dabei möchte man ermitteln, wie häufig diese an Kreuzungen das Handy benutzen: «Wie wollen schauen, ob sie viel telefonieren oder eher Nachrichten schreiben, wenn sie die Strasse überqueren.»

Massnahmen in anderen Ländern

Andere Länder haben bereits auf abgelenkte Fussgänger reagiert. In Israel gibt es im Strassenbelag eingebaute Ampeln, in Deutschland dasselbe bei Strassenbahn-Geleisen. In Litauen wurde gar ein abgetrennter Gehweg nur für Handy-Nutzer gebaut. In der Schweiz stehen solche Umsetzungen noch nicht zur Diskussion.

Patrizia Hertach glaubt, dass die Einführung solcher infrastrukturellen Massnahmen in der Schweiz momentan unverhältnismässig wäre. «Aber wir werden sicherlich die Erfahrungen im Ausland weiter verfolgen.»

Die Beratungsstelle für Unfallverhütung führt die schweizweite Feldstudie im nächsten Jahr durch. Danach wird entschieden, was gegen sogenannte «Smartphone Zombies» unternommen werden soll.

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