Der Bundesrat hat dem Gesundheits- und dem Wirtschaftsdepartement den Auftrag erteilt, ein Ausstiegskonzept auszuarbeiten und am 16. April vorzulegen. Mit dieser Ankündigung eröffnete Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga die heutige Corona-Pressekonferenz. Ziel sei, die Massnahmen gegen die Corona-Pandemie ab 26. April langsam zu lockern. Alain Berset nennt es das «Licht am Ende des Tunnels», das sichtbar werde. Es geht also etwas. Das ist die eine Leseart.
Die andere ist die: Was heisst Lockerung nach dem 26. April? Welche und für wen? Hat der Bundesrat tatsächlich noch keinen detaillierten Exit-Plan erarbeitet, kein Konzept?
Am seidenen Geduldsfaden
Man muss grosses Verständnis haben für den Bundesrat. Er hat die Schweizer Wirtschaft in den Tiefschlaf versetzt, regiert mit Notrecht, trifft Massnahmen, welche noch nie jemand in diesem Land an die Hand nehmen musste – geschweige denn durchsetzen. Der Bundesrat hat die Schweiz in den Lockdown geführt. Er bewegt sich auf terra incognita. Und das auf der Grundlage von Prognosen. Ein Bravo dafür.
Es steht aber die Befürchtung im Raum, dass der Bundesrat nun hadert und seine Klarheit einbüsst. So wie die Bevölkerung teils die Geduld verliert. Beides zusammen wäre eine ungute Mischung.
Konkrete Messlatten
Der Bundesrat könnte nachvollziehbare Ziele kommunizieren und Zielkriterien setzen, die sich an den epidemiologisch relevanten Daten messen. Er könnte jetzt sagen, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, um Ladengeschäfte aufzuschliessen. Und unter welchen Bedingungen das zu geschehen hätte. Er könnte jetzt sagen, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um die Schulen wiederzueröffnen. Und wie das geschehen kann. Er könnte bitte mal konkret werden.
Der Epidemiologe Marcel Salathé sagte letzte Woche, bei einer Neuinfizierungsrate «im tiefen dreistelligen oder besser zweistelligen Bereich» könne man die Restriktionen langsam aufheben. Und auch der Bundesrat will sich unter anderem auf die Neuinfizierungsrate stützen (547 Menschen waren es von gestern auf heute). Mit konkreteren Ansagen und Messlatten könnten wir jeden Tag verfolgen, ob und wie schnell wir uns dem Ziel nähern – oder wieder davon entfernen. Das könnte mehr Klarheit schaffen, vielleicht auch die «Bleibt-Zuhause»-Disziplin festigen. Und auch den Druck der Wirtschaft abfedern.
Klarheit muss geschaffen werden
Die jetzige Ungewissheit sei für die Bevölkerung belastend, sagte Bundespräsidentin Sommaruga heute. Die Bevölkerung brauche eine Perspektive. Aber hilft die bundesrätliche Ankündigung, ab dem 26. April eine noch völlig unklare Öffnung «schrittweise» herbeizuführen? Niemand weiss, was damit gemeint ist. Nicht einmal der Bundesrat, es gibt ja noch gar kein Konzept. Spekulationen schiessen ins Kraut. Erwartungen keimen auf, die der Bundesrat dann vielleicht nicht erfüllen kann. Das führt zu Enttäuschungen, welche die Disziplin in der Bevölkerung aufweichen würden.
Bundespräsidentin Sommaruga sagte, die Voraussetzungen für die Lockerung müssten klar sein. Das eben sind sie (noch immer) nicht.
Bundesrat, bitte übernehmen!