In einer bisher unveröffentlichten Rede macht Laienprediger Ivo Sasek irritierende Aussagen zu Adolf Hitler: «Es kommen reihenweise neue Bücher von hochgradigen Historikern auf den Markt, die ein komplett anderes Bild zum Beispiel von Adolf Hitler zeichnen. Versteht ihr das? Du sagst: Ja, das darf man nicht mal denken! Das ist ein Teufel! Ja und jetzt, wenn das einer war, der gleich nach Jesus Christus kommt, was machst du dann? Wenn das einer ist, der vom Rang eines Apostels ist?»
Sektenkenner Hugo Stamm beobachtet Saseks Wirken seit Jahren. Die Hitler-Passage beunruhigt ihn. Angesichts solcher Äusserungen müsse man sich fragen, wie der geistige Zustand Saseks sei. «Abgesehen davon ist es politisch absolut unhaltbar und unerträglich. Dass das heute in der Schweiz noch möglich ist, das glaubt man fast nicht», sagt Stamm gegenüber der «Rundschau».
Sasek schreibt der «Rundschau» in einer Stellungnahme, die Passage sei aus dem Kontext gerissen, Hitler sei ein Extrembeispiel.
Sasek und die Politik
Ivo Sasek, Führer der sektenähnlichen Gemeinschaft Organische Christus-Generation (OCG), beschränkt sich aber nicht aufs Predigen. Aus den neuen Aufnahmen, die der «Rundschau» vorliegen, geht hervor, dass er politische Ziele hat. Er versucht, Einfluss auf die Schweizer Politik zu nehmen.
So predigt Sasek: «Du bringst deinen Einfluss, deine Sichtweise zu Politikern oder zu irgendwelchen Führern. Ich werde (…) mit einem der angeseheneren oder höheren Politikern der Schweiz den Nachmittag verbringen. Also ich werde mit ihm über vier mögliche Schweizer Initiativen sprechen. Also gerade die OCG hat in der Schweizer Politik indirekt viel Fuss gefasst.»
Auf Anfrage schreibt Sasek der «Rundschau», er habe keine regelmässigen Kontakte zu Politikern oder Parteien. In der Schweiz werde aber Recht immer mehr zu Unrecht. Als Christ werde er deshalb nicht tatenlos zuschauen, «wie sich ein solch kranker, ekelhafter und tödlicher Nihilismus, mit all seinem Gestank von pädophilen Perverslingen, noch endgültig in unserer Politik und schliesslich unseren Gesetzen einnistet.»
SVP-Politiker bei Sasek
Eine Auswertung von Saseks Referentenlisten zeigt: Es gibt Schweizer Politiker, die bei Anlässen des resoluten Predigers aufgetreten sind. Auf der Homepage von Saseks Anti-Zensur-Koalition figurieren Exponenten der SVP.
Der ehemalige SVP-Nationalrat Ulrich Schlüer hielt im Oktober 2016 bei Sasek einen Vortrag über die Schweiz und die EU. Schlüer teilt der «Rundschau» auf Anfrage mit, er nehme jede Einladung an, bei der er Stimmberechtigte erreichen könne. Mit Sasek stehe er nicht in Kontakt.
Der Aargauer SVP-Nationalrat Luzi Stamm stand im November 2015 bei Ivo Sasek auf der Bühne – für ein Referat über die Schweiz und die Einwanderung. Stamm sagt auf Anfrage: «Ich trete in der Schweiz zum wichtigen Thema freie Einwanderung überall auf, sei es bei rechtsstehenden und linksstehenden Gruppierungen, sei es bei eher religiös argumentierenden Gruppen.» Das bedeute aber nicht, dass er sich mit Äusserungen der Veranstalter identifiziere.
No-Billag-Initiant beim Sekten-Guru
Dies teilt der «Rundschau» auch Olivier Kessler mit. Der Co-Initiant der No-Billag-Initiative war im März 2015 bei Sasek zu Gast. Der spätere Nationalratskandidat der Jungen SVP Zürich referierte zum Thema «Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren».
Olivier Kessler schreibt der «Rundschau»: «Wenn wir Stimmbürgern die Initiative vorstellen (und das haben wir an unzähligen Veranstaltungen gemacht), bedeutet das nicht, dass wir automatisch deren Ansichten teilen. Oder müsste Ihrer Meinung nach jeder Teilnehmer der SRF-Arena die Verantwortung für alles übernehmen, was jemals in dieser Sendung gesagt worden ist? Wohl kaum. Es handelt sich hier um einen durchsichtigen Versuch, das Volksanliegen mit unlauteren Mitteln zu diskreditieren und Zusammenhänge herzustellen, wo es keine gibt.»
Stamm: «Politiker als Steigbügelhalter»
Sektenkenner Hugo Stamm warnt: Bei Sasek aufzutreten sei für Politiker bedenklich und unverantwortlich. «Auf der einen Seite werden dann Verschwörungstheorien noch salonfähiger. Auf der anderen Seite geben sie der Sekte von Ivo Sasek eine Legitimation. Dieser sonnt sich natürlich darin, dass sich angesehene Politiker bei ihm engagieren. Und das führt zu einer Verharmlosung der Sekte. Damit werden die SVP-Politiker zu Steigbügelhaltern von einem Sektenführer und einer ganzen Sekte.»