Im tiefsten Winter kann es gut mal einen halben Meter Neuschnee geben über Nacht. Grosse Schneemassen, gerade an Abhängen, können spontane Lawinen verursachen – ein Problem nicht nur für Gebäude und Strassen, sondern auch für Bahnlinien. Mehrere Millionen Franken jährlich werden in den Schutz der Gleise und Züge investiert. Das zeigt eine Umfrage bei mehreren Bahnunternehmen.
Die verschiedenen Methoden
Die SBB als grösstes Bahnunternehmen der Schweiz hat laut eigenen Angaben 340 Streckenkilometer Bahnlinie, die vor Lawinen oder anderen Naturgefahren geschützt werden. Dabei setzt die SBB auf verschiedene Methoden, erklärt Mediensprecher Reto Schärli: «Zum Einsatz kommen zum Beispiel Schutzwälder. Rund zwei Millionen Franken kostet es die SBB, die zum Teil eigenen Schutzwälder zu pflegen.»
Wald ist allerdings nicht überall vorhanden oder er erfüllt seine Schutzfunktion zu wenig gut. Um die Gleise trotzdem zu beschützen, kommen an diesen Stellen ungefähr 46000 spezielle Bauten zum Einsatz. Dazu gehören Schutzdämme, hohe Steinschlagschutznetze, Felssicherungen oder Gefahrenanlagen.
Und dann ist da auch noch der Mensch. Interne Spezialistinnen und Spezialisten schätzen die Lage vor Ort ein, erklärt der Mediensprecher der SBB. Eine ähnliche Strategie fährt das Berner Bahnunternehmen BLS. Auch die BLS hat viele Strecken im Berggebiet. «Die heikelste Strecke ist die Lötschbergstrecke», so Helene Soltermann, Mediensprecherin der BLS. Auf dieser Strecke gibt es ebenfalls Schutzwälder und entsprechende Bauten. Zudem arbeite man mit regionalen Sicherheitsdiensten zusammen, die das Gebiet überwachen. Auch präventive Helikopterflüge helfen dabei, die Lage einzuschätzen. Schaffen es trotzdem eine Lawine oder Steine auf die Geleise, stellt automatisch die Fahrleitung ab.
Die Matterhorn Gotthard Bahn – wie es der Name verrät – operiert an lawinentechnisch heiklen Stellen. Auf die Wintersaison 21/22 wurde der Lawinenschutz gerade erneuert. Auf der Strecke beim Oberalppass wurden vier neue Sprengmasten installiert. Mit bis zu zwölf Sprengladungen erlauben diese eine künstliche Lawinenauslösung.
Auch zwei neue Personenradare wurden in Betrieb genommen, heisst es auf Anfrage von SRF. Damit kann bei jedem Wetter und bei Dunkelheit überprüft werden, ob sich Personen im Gefahrengebiet aufhalten oder dorthin unterwegs sind.
Die Zentralbahn geht neue Wege – teilweise ohne Mensch
Für die Bahnlinie entlang des Brienzersees sind Lawinen und Murgänge immer wieder eine Gefahr. Wegen der Klimaerwärmung häufen sich die Vorfälle. Deshalb haben die Zentralbahn und der Kanton Bern ein neues System entwickelt. Einerseits ermöglichen Kameras vor Ort, die Lage aus der Ferne rasch und sicher zu beurteilen. Andererseits wurde ein ausgeklügeltes Detektions- und Alarmsystem installiert. So messen beispielsweise Sensoren, ob Schnee- oder Geröllmassen abgehen und lösen automatisch Alarm aus.
Menschen braucht es aber auch bei der Zentralbahn künftig noch an einigen Orten: Lawinen, die nicht aus Nassschnee bestehen, sind besser vorhersehbar und können von Fachleuten der Lawinenforschung entdeckt werden. Aufgrund der geringen Höhenlage der Anrissgebiete sind in der Region jedoch Nassschneelawinen häufig massgebend für die Gefährdung der Verkehrswege. Deshalb kommt auf einer Teilstrecke nun das neue automatische Alarmsystem zum Zug.