Neuenburg, in den Räumen der Kriminalpolizei. Eine Forensikerin untersucht zwei französische Pässe. Sie wurden in der Nacht bei zwei Männern in einem gestohlenen Auto sichergestellt. Die Forensikerin hantiert mit Licht, Lupe und Mikroskop: «Der eine hier ist eine Fälschung, gut möglich, dass der Besitzer damit eine Aufenthaltsbewilligung erhalten hätte.»
Einer von vielen Fällen: Die Forensikerin in Neuenburg zeigt auf dem Bildschirm eine Darstellung mit vielen Strichen und Namen – ein kriminelles Netzwerk, bestehend aus Personen aus der Türkei: «Sie haben sich gefälschte europäische Dokumente beschafft und damit in der Schweiz illegal gearbeitet.»
Es ist ein laufendes Verfahren. Fünfzig Personen wurden bisher angehalten. Die meisten haben in Neuenburger Restaurants gearbeitet. Für ihr Aufenthaltsrecht haben sie gefälschte Identitätskarten aus Bulgarien, Litauen oder Belgien vorgelegt.
10 Prozent erschlichene Aufenthaltsbewilligungen
Alexander Ott von der Berner Fremdenpolizei kennt das Thema. Auch er hat Fälle auf dem Tisch und erzählt von zwei Vietnamesinnen, die mit falschen belgischen Pässen in einem Nagelstudio gearbeitet haben. Ott macht in der «Rundschau» eine brisante Schätzung: «Wir gehen davon aus, dass zehn Prozent der Aufenthaltsbewilligungen erschlichen sind.» Zu diesem Schluss komme er aufgrund der Anzahl Aufgriffe durch die Polizei und aufgrund der Zahlen der sichergestellten Fälschungen.
Simon Baechler ist Chef der Kriminalpolizei Neuenburg. Er und sein Team ermitteln zu den Netzwerken rund um die Fälscher. Bis zehn Prozent erschlichene Aufenthaltsbewilligungen – für ihn plausibel: «Die Grössenordnung ist realistisch. Je mehr man sucht, desto mehr findet man», so der Kripo-Chef.
Ott ist auch Co-Präsident des Verbands Schweizerischer Einwohnerdienste. Wir begleiten ihn an eine Schulung von Gemeindeangestellten. Es sind Mitarbeiterinnen, die bei Einwohnerdiensten Pässe kontrollieren. Sie kommen aus Seewen im Kanton Solothurn, Dübendorf, Niederbipp.
In einer Übung mit falschen Pässen zeigt sich, dass Unsicherheiten bestehen. Einige müssen die Sicherheitselemente in Pässen erst kennenlernen. Andere geben unumwunden zu, dass ihnen schon Fälschungen durch die Lappen gingen. «Oftmals sind diese Leute die einzigen, die ein Originaldokument überhaupt zu Gesicht bekommen», sagt Ott. Er plädiert für flächendeckende Ausbildung – was es heute nicht gibt.
Fälschungen werden immer besser
Das Staatssekretariat für Migration lässt durchblicken, dass Handlungsbedarf besteht. Es gebe bei den Gemeinden tatsächlich Optimierungspotential. Man habe den Verband der Einwohnerdienste kontaktiert, um die Kontrolldichte zu analysieren. Bis Ende Jahr wolle man dem Bundesrat Vorschläge für das weitere Vorgehen unterbreiten.
Gleichzeitig werden die Fälschungen immer besser. Marcel Schafroth ist Dokumentenexperte beim Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit. «Gerade bei Kunststoffdokumenten sind die Fälscher besser geworden.»
Er zeigt uns eine Fälschung der neuen Schweizer ID, die gerade mal zwei Jahre in Umlauf ist. «Gewisse Sicherheitselemente sind sehr gut nachgeahmt», sagt der Experte. Auch die Grenzwacht müsse daher laufend geschult werden.