- Immer mehr Fälle werden bekannt, in denen Babys wegen dem Medikament Depakine geschädigt wurden.
- Offenbar haben Ärzte oftmals ungenügend über das Risiko informiert.
- Der Hersteller verschärft nun die Warnung auf der Packung.
Im Februar berichtete «10vor10» erstmals über Fälle von schweren Schäden im Zusammenhang mit dem Medikament Depakine. In der Folge der meldeten sich nun immer mehr Betroffene. Bis heute bestätigt die Zulassungsbehörde Swissmedic insgesamt 15 Meldungen von Missbildungen und 23 Meldungen von Entwicklungsstörungen.
Doch es dürfte auch Fälle geben, die nicht gemeldet wurden. Laut Swissmedic können bei bis zu 40 Prozent der Kinder Entwicklungsschäden auftreten. Der Hersteller warnt jetzt neu mit einem Piktogramm auf der Packung vor der Gefahr für Schwangere. In der Schweiz werden die neuen Verpackungen ab Mai auf den Markt kommen, in Frankreich gibt es sie schon seit März.
Ungenügende Warnung der Ärzte
Das Medikament ist ein langjähriges und verbreitetes Mittel gegen Epilepsie. Es wird auch in der Psychiatrie verschrieben. Während der Schwangerschaft kann das Produkt zu Missbildungen und Entwicklungsstörungen bei Kindern führen. Die Nebenwirkungen betreffen nicht nur Depakine von Sanofi, sondern alle Medikamente mit dem Präparat Valproat. Auch Desitin Pharma, Sandoz und Orion Pharma haben solche Medikamente auf dem Markt.
Eine Wut kommt auf, denn das Schicksal meiner Kinder hätte verhindert werden können.
Doch jahrelang wurde die Gefahr verharmlost. Mehrere Mütter haben sich bei «10vor10» gemeldet. Heute erkennen sie, dass ihre Kinder Symptome von Depakine aufweisen. Während der Schwangerschaft seien sie von ihren Ärzten aber ungenügend über die Risiken des Medikamentes informiert worden. «Eine Wut kommt auf, denn das Schicksal meiner Kinder hätte verhindert werden können», sagt eine betroffene Mutter.
Hersteller weist Schuld von sich
Auch Margrit Kessler von der Stiftung Patientenschutz (SPO) ist empört. Studien über die schwerwiegenden Nebenwirkungen waren längst bekannt und entsprechend hätte viel früher reagiert werden müssen. «Ich bin enttäuscht von den Behörden und der Pharmaindustrie. Es ist ihre Verantwortung, die Bevölkerung zu warnen.»
Sanofi, der französische Hersteller von Depakine, weist jede Schuld von sich. Man habe stets «gemäss dem wissenschaftlichen Kenntnisstand» informiert und auf Risiken im Zusammenhang mit der Schwangerschaft wurde seit 1974 hingewiesen.
Epilepsie-Medikament mit guter Wirkung
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Warum haben Ärzte ihre Patientinnen nicht gewarnt? Der Präsident der Schweizerischen Epilepsie-Liga, der Neurologe Stephan Rüegg, schliesst zwar nicht aus, dass manche Ärzte das Risiko unterschätzt haben, doch er hält fest:
«Depakine hat eine sehr gute Wirkung bei Epilepsie und ein epileptischer Anfall während der Schwangerschaft bedeutet ein grosses Verletzungsrisiko für Mutter und Kind.» So sei es letztlich eine Abwägung zwischen Nutzen und Risiko.
Doch der Neurologe betont: Es gebe alternative Medikamente. Nur bei einer spezifischen Form von Epilepsie kann heute noch nicht auf ein anders Arzneimittel umgestiegen werden.