Tiere werden im Schlachthof geschlachtet – und sonst nirgends. Das galt lange. Sogenannte Hoftötungen – also das Töten auf dem Bauernhof – war nur von Tieren nur erlaubt, wenn das Fleisch für den Eigengebrauch bestimmt war und nicht für den Handel. Seit Juli 2020 erlaubt dies der Bund. Rund 100 Landwirtschaftsbetriebe – vor allem in der Deutschschweiz – haben seither eine Bewilligung für Hoftötungen erhalten. Alleine im Kanton Bern sind es 37 Betriebe, weitere haben Gesuche eingereicht. Die Zahl der Hoftötungen – vor allem von Rindern – nimmt zu.
Eine solche Hoftötung findet zum Beispiel auf einem Hof in Madiswil im Berner Oberaargau statt. Ruhig steht das braune Rind vor dem Stall und kaut Futter aus einem Kessel, den ihm der Bauer hinhält. Das Tier steht auf einem Vorplatz, wartet auf den Tod. Es gibt kein Entrinnen.
Mischa Hofer, der Hoftötungen durchführt, wartet versteckt hinter einem grossen Anhänger seiner mobilen Schlachteinheit. Hofer ist Rinderzüchter auf seinem Hof oberhalb Vitznau, Fleischhändler, Jäger und Schütze.
Er wartet auf den Moment, da ihm der Bauer sagt, dass das Rind bereit sei. Mischa Hofer setzt das Bolzenschussgerät auf die Stirn des Rinds. Ein Schlag, das Tier sackt betäubt zusammen und wird auf der Plattform liegend sofort in den Anhänger gezogen. Dieser geht zu. Auf dem Boden ist nur wenig frisches Blut.
Drinnen schneidet Mischa Hofer dem Rind durch die Brust die Aorta durch, lässt es ausbluten, das Tier ist tot. Mischa Hofer hat noch Rinderblut auf den Stiefeln und an den Händen. Er setzt sich ans Steuer seines Autos, fährt los Richtung Kleindietwil zur Metzgerei im Nachbardorf.
Sterben ohne Stress
Er lobt diese Art der Tötung: Damit werde den Tieren Stress erspart, da sie auf ihrem Hof in der gewohnten Umgebung getötet werden. Rinder würden hochsensibel auf fremde Gerüche, Geräusche, Personen reagieren, so Mischa Hofer. Die Transporte der lebenden Tiere in den Schlachthof kämen erschwerend noch dazu.
Und darum gehe es bei der Hoftötung. Kein Stress, keine anstrengende Fahrt vor der Schlachtung. Jedes Tier habe eine respektvolle Tötung verdient, so denkt Hofer, auch wenn es ein Nutztier sei.
Die zwei Metzger in Kleindietwil laden das tote Rind aus. Mischa Hofer, der Rinderzüchter und Fleischhändler, ist einer der wenigen, der in der Schweiz Hoftötungen durchführt. Zwei andere, die das Gleiche tun, gibt es noch in der Zentralschweiz und in der Ostschweiz. Etwa 400 Franken kostet die Tötung eines Tieres auf dem Hof, also etwa doppelt so viel wie eine normale Tötung. Mischa Hofer tötet pro Jahr rund 200 bis 300 Rinder. In der Schweiz sind es jährlich rund 400'000.
Hoftötungen seien ein Nischengewerbe: Doch die Zahl der Bauernbetriebe, die Bewilligungen dazu einholen, steigt. Er sei ausgebucht, sagt Mischa Hofer. Und der Bedarf werde noch zunehmen. Er werde als erster in der Schweiz Kleintiere gewerbsmässig direkt auf dem Hof töten.
In seinem Schlacht-Anhänger habe es Platz für sechs bis acht Schafe oder für vier Schweine. Vielleicht schaffe er sich einen zweiten solchen Anhänger an und stelle einen Metzger für die Hoftötungen an.
Inzwischen wird das Rind in der Metzgerei in Kleindietwil halbiert. Extra hergefahren ist der Koch eines Landgasthofes in der Region. Er wird Fleisch von diesem Rind kaufen. Der Fleischhändler Mischa Hofer plant Grösseres als nur diese Direktvermarktung.
Er will mit einem Grossverteiler den Verkauf von Demeter-Fleisch anbieten, geschlachtet auf dem Hof. Ein Premium-Produkt. Und auch Landwirtschaftsexperten erwarten, dass jeder Grossverteiler in absehbarer Zeit Fleisch ohne Lebendtransport anbieten werde. Hoftötungen – seit der Lockerung des Bundes eine gefragte Sache.