Abwanderung ist für Berggebiete ein grosses Problem. Viele Junge verlassen nach der Grundschule ihr Dorf in den Bergen, ziehen ins Tal und kehren nicht mehr zurück. Denn oben auf dem Berg finden sie kaum Arbeit.
Und weil die guten Stellen fehlen, wird auch wenig in Wohnraum investiert. Ein Teufelskreis.
Jetzt will der Bund nicht nur in den Städten, sondern auch in den Bergregionen den Bau von Wohnungen fördern. «Attraktives Wohnen in Berggebieten». So heisst ein neuer Leitfaden des Bundes für die Gemeinden.
Er stellt eine Reihe von Wohnbauprojekten in Bergregionen vor. Sie sollen belegen, dass die Gemeinden im Kampf gegen die Abwanderung nicht machtlos sind.
Parmelin: Konkrete Beispiele als Anreiz
«Wir zeigen jetzt an konkreten Beispielen, dass man das ändern kann. Das ist das Positivste an diesem Leitfaden», sagt der zuständige Bundesrat Guy Parmelin. Der Leitfaden richtet sich direkt an jene Gemeinden, die in ihrem Dorf ein Wohnprojekt realisieren wollen.
Viele Gemeindebehörden sind am Anfang überfordert, wenn sie Wohnraum schaffen wollen.
Viele Gemeindebehörden seien am Anfang überfordert, wenn sie Wohnraum schaffen wollten, sagt Thomas Egger, Direktor der Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete: «Der Leitfaden soll inspirieren und Anschub geben. Er dient mit den Beispielen aber auch dem Erfahrungsaustausch unter den Gemeinden.
Als Beispiel nimmt Egger das im Leitfaden vorgestellte Projekt in Amden im Kanton St. Gallen: «Dort wurde für die ältere Generation neuer Wohnraum geschaffen – mit dem Nebeneffekt, dass ältere Wohnungen für Jüngere frei wurden – zwei Fliegen mit einer Klappe also.»
Appell an Private und Genossenschaften
Ein Beispiel, das zeigt, dass die Gemeinden auch beim Wohnen etwas bewirken können, obwohl der Wohnungsbau ja meist Sache von Privaten ist. So schlägt der Bund den Gemeinden vor, mit den privaten Hausbesitzerinnen und -besitzern und mit Genossenschaften zusammenzuarbeiten.
Jetzt gibt es offenbar einen Gegentrend, mit Blick auf Wohn- und Standortpolitik und die Frage nach den Strukturen für ein attraktives Leben. Eine ganz gute Sache.
Der Leitfaden entspreche tatsächlich einem dringenden Bedürfnis aus der Praxis der Gemeinden, betont Egger. Mit den aufgearbeiteten Beispielen und Tipps liege nun ein gutes Arbeitsinstrument vor.
Nicht nur wirtschaftliche Entwicklung beachten
Den neuen Leitfaden begrüsst auch die unabhängige Expertin Heike Mayer, Professorin für Wirtschaftsgeografie an der Universität Bern: «Die Berggebietspolitik legte bisher viel zu viel Gewicht auf die wirtschaftliche Entwicklung. Jetzt gibt es offenbar einen Gegentrend, mit Blick auf die Wohn- und Standortpolitik und die Frage nach den Strukturen für ein attraktives Leben. Das ist eine ganz gute Sache.»
Mit dem Leitfaden allein wird die Abwanderung aus den Berggebieten natürlich nicht gestoppt. Aber die Gemeinden haben nun immerhin ein zusätzliches Instrument in der Hand, das ihnen helfen soll, Wohnbauprojekte zu realisieren.