- Die Industriezölle in der Schweiz werden abgeschafft.
- Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat zugestimmt.
- Eine Etappierung wurde äusserst knapp abgelehnt.
Der Nationalrat verabschiedete die Vorlage mit 106 zu 75 Stimmen bei 15 Enthaltungen – diese stammten vor allem aus der Mitte-Fraktion. Mit Nein stimmten SP und Grüne und eine Minderheit der Mitte-Fraktion.
Mit der Abschaffung der Industriezölle werden dem Bund jedes Jahr mehr als 500 Millionen Franken an Zolleinnahmen entgehen. Konsumentinnen und Konsumenten hingegen können laut Bundesrat jährlich rund 350 Millionen Franken einsparen.
Stichentscheid gegen Etappierung
Der Nationalrat behandelte die Vorlage zum zweiten Mal, nachdem er im Juni 2020 nicht darauf eingetreten war. Zu reden gab im Nationalrat beim zweiten Anlauf, ob die Streichung der Industriezölle auf einen Schlag erfolgen sollte. Die Wirtschaftskommission (WAK-N) beantragte mit knappem Mehr, dies zu tun und damit Bundesrat und Ständerat zu folgen. Mit Stichentscheid von Ratspräsident Andreas Aebi (SVP/BE) folgte der Nationalrat dem Antrag.
Eine starke Minderheit von SP, Mitte und Grünen plädierte im Sinn eines Kompromisses und mit Rücksicht auf die Bundesfinanzen für eine Etappierung – ohne Erfolg. Mit der vollständigen Abschaffung der Industriezölle verzichte der Bund auf Einnahmen von mehr als einer halben Milliarde Franken, sagte Leo Müller (Mitte/LU) dazu. Eine Etappierung würde viel für Unternehmen bringen, belaste die Bundeskasse aber deutlich weniger, sagte Markus Ritter (Mitte/SG). Ausserdem warnte er vor einem Referendum.
Diese Abgrenzung sei schwierig und führe zu mehr bürokratischem Aufwand, entgegnete Jürg Grossen (GLP/BE) namens der Mehrheit. Die Kosten einer Abschaffung auf einen Schlag seien für den Bund verkraftbar, ergänzte Petra Gössi (FDP/SZ). Ohne Industriezölle könnten Unternehmen von günstigeren Vorleistungen profitieren und Produktionskosten senken.
Auch die SVP wollte den alten Zopf abschneiden, wie Magdalena Martullo-Blocher (SVP/GR) sagte. Eine klare Trennung zwischen industriellen Rohstoffen, Halbfabrikaten und übrigen Industrieprodukten sei zudem schwierig. Die Schrittweise Abschaffung der Industriezölle sorge für noch mehr Bürokratie statt weniger.
Rückweisung abgelehnt
Die Vorlage bringe der Wirtschaft den nötigen Sauerstoff nach der Krise, sagte Bundespräsident und Wirtschaftsminister Guy Parmelin. Gerade die Textil- und die Maschinenindustrie könne von der Abschaffung profitieren, diese nütze aber der ganzen Wirtschaft. Die aktuelle Finanzlage erlaube die Streichung der Zölle.
Ganz vom Tisch war die Frage, ob der Rat auf die Vorlage überhaupt eintreten sollte, nicht. Eine Minderheit um Jacqueline Badran (SP/ZH) beantragte erneut Nichteintreten, unterlag aber mit 69 gegen 121 Stimmen. Die Zölle bestimmten die Preise lediglich marginal, sagte Badran.
Die Schweiz würde ohne Industriezölle allen Verhandlungsspielraum für Freihandelsabkommen verlieren. Gewisse Branchen wären ohne Industriezölle ohne Schutz.
Eine zweite Minderheit um Regula Rytz (Grüne/BE) wollte die Vorlage an den Bundesrat zurückweisen, drang aber mit 87 gegen 108 Stimmen ebenfalls nicht durch. Die Abschaffung der Industriezölle führe zu mehr Importen von Produkten «mit schwerem CO2-Rucksack», sagte Rytz. Nur Produkte mit ökologischen Mindeststandards sollten von den Industriezöllen befreit werden.
Die Vorlage ist nun bereit für die Schlussabstimmung.