Gemeindepolizist Fiorenzo Rizzi hat zwei Aufgaben: Nachmittags sorgt er für Recht und Ordnung, vormittags besucht er betagte Menschen ab 72 Jahren. Die Idee dahinter ist, den einsamen Senioren und Seniorinnen Gesellschaft zu leisten und rechtzeitig Alarm zu schlagen, wenn eine Person Hilfe braucht oder verwahrlost.
Leiche einer betagten Person gab den Anstoss
Ins Leben gerufen hat das Projekt mit dem Namen «Servizio Anziani Soli» – Dienst für alleinstehende Senioren – der Chef der Gemeindepolizei Mendrisio vor gut 30 Jahren. Damals entdeckte die Polizei die Leiche einer älteren Person erst Tage nach ihrem Tod in deren Wohnung. Es gebe im Leben eines jeden Menschen ein Moment, in dem es rapide abwärts gehe, sagt der 58-jährige Polizist Fiorenzo Rizzi.
Moralische Stütze und Frühwarnsystem
Zurzeit besucht Rizzi rund 45 Seniorinnen und Senioren einmal im Monat. Für viele ist er eine moralische Stütze, eine Person, mit der man über alles reden kann. Das schätzt auch der 82-jährige Wittwer Giancarlo Rossi. Es tue gut, mit jemandem sprechen zu können. Sie würden auch tiefgreifende Gespräche führen, sagt Rossi.
Die alleinstehende 88-jährige Rosalba Malacrida freut sich ebenfalls über den monatlichen Besuch. Sie könne ihn alles fragen und wenn sie etwas brauche, rufe sie ihn einfach an. «Einem Polizisten kann man immer vertrauen, hoffe ich doch …», sagt sie schmunzelnd.
Gemeindepolizist Rizzi achtet aber nicht nur auf das seelische Wohl. Er schaut genau hin, ob die betagten Menschen ihren Haushalt noch meistern können oder regelmässig essen. Bei Bedarf alarmiert er den Sozialdienst.
Polizistenbesuch könnte Schule machen
Im Tessin leben überdurchschnittlich viele ältere Menschen. Vielerorts besuchen Priester und Seelsorger ältere und kranke Menschen. Das Modell der Gemeinde Mendrisio ist wohl einzigartig. Die Gemeindepolizei schreibt alle Einwohner über 72 Jahren an und bietet den Besuch an.
Pro Senectute Schweiz findet das Modell sinnvoll. Es sei wichtig, dass verschiedene Behördenmitglieder, Polizei und Sozialdienste eng zusammenarbeiteten, sagt Peter Follath von Pro Senectute. Das brauche Geld und Ressourcen, die man im Tessin bereit sei auszugeben. Er erhofft sich dies für die ganze Schweiz.
Vergangenes Jahr besuchte eine Behördendelegation aus Freiburg Mendrisio, um sich das Besuchssystem anzuschauen. Und weil sowohl die Zahl der betagten Menschen als auch deren Interesse zunimmt, sollen künftig neben Gemeindepolizist Fiorenzo Rizzi auch geeignete Sozialhilfebezüger für die Aufgabe ausgebildet werden.