Am Sonntag entscheidet die bernische Gemeinde Moutier erneut, ob sie zum Kanton Jura wechseln wird. Damit soll der Jurakonflikt enden, der 1815 seinen Anfang nahm und immer wieder in Gewalt ausartete. Was bisher niemand wusste: Ende der 1970er-Jahre – kurz bevor der Kanton Jura gegründet wurde – trafen sich die jurassischen Konfliktparteien im Geheimen mehrmals auf neutralem Grund.
Auf Schloss Waldegg fanden rund ein Dutzend geheime Gespräche statt zwischen führenden Köpfen der Berntreuen und Separatisten – ohne das Wissen des Kantons Bern und der Öffentlichkeit. Sowohl Roland Benoit, ehemaliger Anführer der Berntreuen, als auch Separatistenführer Pierre-André Comte, bestätigten kürzlich zum ersten Mal die Treffen in der SRF-Sendung «Zeitblende».
Die weiteren Recherchen des «SRF Regionaljournals Aargau Solothurn» erweisen sich allerdings als schwierig: Akten zu den Treffen sind beim Solothurner Staatsarchiv nicht vorhanden, die heutige Kantonsverwaltung hat keine Kenntnis der Geheimgespräche. Die einzige Spur führt zu Peter André Bloch. Der heute 84-Jährige leitete früher Schloss Waldegg und erzählt im Gespräch, dass rund ein Dutzend solcher Treffen stattgefunden hätten und er selber sie gar organisiert habe.
Sie mussten versprechen, dass man nicht darüber redet.
«Ich habe Leute angeschrieben von beiden Parteien zu gleicher Zahl und sie eingeladen. Aber sie mussten versprechen, dass man nicht darüber redet, weil es so brisant war.» Die Treffen fielen in eine kontroverse Zeit. Im Jura ging die Angst vor einem Bürgerkrieg um – Bomben explodierten und Häuser wurden angezündet. Die Geheimgespräche auf Schloss Waldegg waren so brisant, dass Bloch später sämtliche Unterlagen und Namenslisten vernichtete.
Die Erinnerungen sind aber geblieben und Bloch erzählt heute gerne, wie die Berntreuen und Separatisten sich an denselben Tisch setzten, den Dialog und Lösungen suchten. «Man ass etwas Kleines: Ein Solothurner Süppli, Käse, Brot und ein kleines Dessert.» In Gruppenarbeiten habe man miteinander geredet. Über Missverständnisse. Über Provokationen. «Und was man unternehmen kann, damit die Trennung konfliktfrei und ohne Tote gelöst wird.»
Ich geriet nie mehr in so eine unheimliche Situation.
Die Treffen mit jeweils bis zu 25 Personen am Tisch seien aber nicht einfach gewesen. «Das Gewaltpotenzial lag wie eine Bombe unter dem Tisch. Ich geriet nie mehr in so eine unheimliche Situation.» Nach rund einem Dutzend solcher Geheimgespräche war dann aber plötzlich Schluss. Jemand habe die brisante Runde bei der Berner Regierung verpfiffen und diese habe sich bei der Solothurner Regierung beschwert. Bloch sei daraufhin zurückgepfiffen und abgemahnt worden.
Kurze Zeit nach dem Ende der Geheimgespräche auf Schloss Waldegg wird schliesslich der Kanton Jura gegründet. Inwiefern die Treffen dazu beigetragen haben, sei schwierig zu sagen, meint Peter André Bloch. Klar ist: Der Dialog zwischen den Berntreuen und Separatisten reist nie ganz ab und Experten sehen darin einen Grund, weshalb der Konflikt nie vollständig eskalierte.