- Immer öfter müssen die Kantone für ausstehende Krankenkassenprämien ihrer Bewohner aufkommen.
- SRF-Recherchen zeigen: Für diese Verluste bezahlen die Kantone insgesamt über 60 Prozent mehr als noch vor fünf Jahren.
- Der Krankenkassen-Experte sieht die Schuld unter anderem bei den Kantonen selber.
«Ich bin jedes Mal geschockt, wenn ich die Rechnungen unserer Krankenkasse anschaue», sagt Fabian K. und schüttelt den Kopf. Er sitzt mit seiner Frau Daniela und der gemeinsamen Tochter am Küchentisch. Fabian K. kann aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeiten. Die dreiköpfige Familie lebt vom Einkommen der Frau, das sind 3000 Franken Nettolohn. Die Krankenkassenprämien können sie kaum noch bezahlen.
Krankenkassen fordern Prämie beim Kanton ein
Die Familie K. steht in der Schweiz nicht alleine da, vielen geht es finanziell sogar noch schlechter. Immer mehr Menschen können ihre Krankenkassenprämien nicht mehr bezahlen. In solchen Fällen muss der Wohnkanton in die Bresche springen. Krankenversicherungen können 85 Prozent einer ausstehenden Prämie beim Kanton einfordern und stellen sogenannte Verlustscheine aus.
Wie Recherchen von «10vor10» nun zeigen, steigt die Zahl dieser Verlustscheine dramatisch an. Seit 2013 ist der schweizweite Gesamtbetrag der ausstehenden Prämien um über 60 Prozent gestiegen – von 205 Millionen Franken im Jahr 2013 auf rund 335 Millionen im Jahr 2017. Wie die Ergebnisse unserer Umfrage bei allen Kantonen zeigen, hat sich die Summe der Verlustscheine bei mehr als zehn Kantonen verdoppelt. Spitzenreiter ist der Kanton Basel-Stadt, wo sich die Summe mehr als verzehnfacht hat.
Gekürzte Prämienverbilligungen
«An dieser starken Zunahme sind mitunter die Kantone selbst schuld», sagt Krankenversicherungs-Experte Felix Schneuwly, «immer mehr Menschen wird die Prämienverbilligung gestrichen oder gekürzt». Ohne diese Hilfe könnten viele Leute ihre Krankenkasse gar nicht mehr bezahlen. «Bei einem gut funktionierenden Prämienverbilligungs-System hätten wir gar keine Verlustscheine», so Schneuwly. «Die Kantone müssen wieder mehr an die Prämienverbilligung zahlen».
Tatsächlich zeigten 10vor10-Recherchen im August, zwischen 2012 und 2017 wurde fast jedem siebten Prämienverbilligungs-Bezüger aus dem unteren Mittelstand die staatliche Hilfe gestrichen oder er ist in derselben Zeit zum Sozialhilfe- oder Ergänzungsleistungsbeziehenden geworden. 163’000 Personen waren davon betroffen.
Budgetberatung als mögliche Lösung?
«Es ist ein Zusammenspiel verschiedener Komponenten, das zum Anstieg der Verlustscheine führt», sagt Heidi Hanselmann, «das schliesst nicht aus, dass die Kürzungen der Verbilligungen einen Teil ausmachen». Die Sankt Galler Regierungsrätin ist Gesundheitsdirektorin und Vizepräsidentin der Gesundheitsdirektoren-Konferenz. «Wichtig ist, dass man die Leute früh betreut und berät, sodass es gar nicht so weit kommt, dass sie nicht bezahlen können».
Familie K. bekommt ihre Prämienverbilligung nach wie vor. Was aber, wenn diese wie bei vielen anderen Familien gekürzt oder gar gestrichen werden sollte? «Ich weiss nicht, wie wir diese Zusatzkosten noch stemmen sollen», sagt der Familienvater. Der Wohnkanton der Familie müsste dann wahrscheinlich für eine weitere ausstehende Prämie aufkommen.