Das Wichtigste in Kürze
- Immer mehr Menschen machen Gentests, um Auskunft über Erbkrankheiten oder das Risiko für eine bestimme Krankheit zu erhalten.
- Versicherungen haben ein grosses Interesse an diesen Informationen.
- «10vor10»-Recherchen zeigen: Der Nationalrat will dafür den Weg freimachen.
Genetische Untersuchungen können heute einfach und immer günstiger durchgeführt werden. Sie sind zunehmend wichtig, um Erbkrankheiten zu diagnostizieren oder das Risiko einer Krankheit abzuschätzen.
Doch wie geht man mit diesem «Wissen» um? Wer hat Zugriff auf diese Daten? Das neue Bundesgesetz über genetische Untersuchungen am Menschen regelt genau solche Fragen.
Besonders brisant ist die Verwendung solcher vertraulichen Daten für Versicherungen. Bis jetzt war den Versicherungsgesellschaften Einblicke in Gentestdaten untersagt. Bürgerliche Politiker wollen nun aber die Tür für die privaten Lebensversicherer öffnen.
Wer Gentest macht, muss ihn vorlegen
Gemäss Vorschlag der vorberatenden Kommission müssen alle Kunden beim Abschluss einer Lebensversicherung oder einer privaten Invaliditätsversicherung alle vorhandenen Gentestresultate bekannt geben.
«Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, niemand würde mit einem Gegenüber einen Vertrag abschliessen, wenn er wüsste, dass der andere Informationen vorenthält», erklärt CVP-Nationalrätin Andrea Gmür-Schönenberger. Die Luzernerin hat sich in der vorberatenden Kommission für diese Änderung eingesetzt.
Für obligatorische Sozialversicherungen und Krankentaggeldversicherungen soll das Verbot bestehen bleiben. Ausserdem dürfen Versicherungen nach wie vor keine Gentests anordnen.
Prämienerhöhung für alle?
«Wir zwingen niemanden zum Gentest. Wenn jemand aber aufgrund eines Gentestes weiss, dass er ein Risiko für eine Krankheit hat, dann muss er das offenlegen», betont Bruno Soltermann, Medizinischer Leiter beim Schweizerischen Versicherungsverband (SVV) gegenüber «10vor10».
Ansonsten drohe eine Prämienerhöhung für alle, weil solche Menschen eher eine Lebensversicherung abschliessen würden. Man brauche diese Informationen, um risikogerechte Prämien zu erstellen.
Schritt in die Zweiklassengesellschaft?
Die Bestimmung wird im Parlament zu Diskussionen führen. Denn eine Minderheit beantragt, das Gesetz im Sinne des Bundesrates zu belassen. «Das öffnet Tür und Tor für eine Zweiklassengesellschaft», kritisiert SP-Nationalrat Matthias Aebischer. Nur wer einen reinen Genpool habe, erhalte in Zukunft auch eine Versicherung, befürchtet Aebischer.
Für Patientenschützerin Erika Ziltener tangiert die Bestimmung im Gesetz einen ganz sensiblen Bereich: «Wer einen Gentest macht, erfährt intime Informationen über sich und seine Familie. Das gehört nicht in die Hände von Versicherungsgesellschaften.» Ausserdem sei ein Gentest nie eine Diagnose, sondern oft nur ein Indiz auf ein Risiko. «Man darf aufgrund eines Risikos nicht jemanden ausschliessen oder benachteiligen», sagt die Präsidentin der Patientenstelle Schweiz.
Liste mit «relevanten» Gentests gefordert
Der Versicherungsverband ist sich bewusst, dass nicht alle Gentests gleich aussagekräftig sind. «Wir wollen darum mit den Behörden und Experten eine Liste von Gentests zusammenstellen, die relevant sind», sagt Bruno Soltermann vom SVV. Bis jetzt fand der Verband noch kein Gehör – doch erst jetzt geht die Diskussion in die heisse Phase.