Hinter dem vom Kanton Genf genehmigten Antrag steht die Frauenorganisation «100 Elles». Sie will 100 Frauen sichtbarer machen, welche die Stadtgeschichte geprägt haben. Dafür kämpft die Vereinigung seit dem Frauenstreik 2019.
Quasi als Fingerzeig sind bereits bisher einige Strassennamen ergänzt worden, indem man unter die bestehenden blauen Schilder ein Schild in fuchsiarot mit einer Frauenpersönlichkeit hängte.
Lise Girardin – erste Frau im Stöckli
Mit der jetzigen offiziellen Umbenennung erhält nun beispielsweise eine Strasse den Namen von Lise Girardin. Die 2010 im Alter von 89 Jahren verstorbene Genfer Politikerin war die erste Frau im Ständerat. Aufs nationale Parkett war sie im Jahr der Einführung des Frauenstimmrechts 1971 gelangt. Sie war übrigens auch die erste Stadtpräsidentin der Schweiz.
Aber auch die gebürtige Britin, Eglantyne Jebb, Gründerin des Hilfswerks «Safe the Children», leiht einer Strasse ihren Namen. Sie verbrachte ihre letzten Lebensjahre in Genf und starb dort vier Jahre nach der Unterzeichnung der Erklärung der Kinderrechte im Alter von 52 Jahren an den Folgen einer Operation.
Die Tragödie der drei Wäscherinnen
Zu denken ist aber auch an die drei Wäscherinnen von Genf, deren Boot 1913 in der Rhone kenterte. Deren Tod führte zur Einrichtung der ersten öffentlichen Wäscherei in Genf, damit die Frauen sicher waschen konnten. Es warf ein Schlaglicht auf die damaligen Arbeitsbedingungen in Genf.
Was die Auswahl betrifft, so hatte die Stadt die Namen vorgeschlagen, worauf eine kantonale Kommission diese prüfte und entschied, wie Westschweiz-Korrespondent Andreas Stüdli erklärt. Einige Vorschläge fielen weg, weil sie nach Ansicht der Kommission geschichtlich nicht bedeutend genug waren.
Erst 41 Plätze und Strassen mit Frauennamen
Aktuell gibt es in Genf 548 Plätze und Strassen, die einen Männernamen tragen. Nur gerade 41 oder sieben Prozent sind nach Frauen benannt. Das Verhältnis ist also immer noch völlig ungleich.
Mit der Initiative von «100 Elles» soll aber nicht Schluss sein. Das Genfer Stadtparlament hat einen Vorstoss angenommen, sodass nun weitere Persönlichkeiten gesucht werden. Vier weitere wurden bereits gefunden, doch war die Kommission mit den gewählten Örtlichkeiten nicht einverstanden.
Ist die Romandie weiter als die Deutschschweiz?
In Genf hat das Thema der Frauen im öffentlichen Raum politisch gerade Hochkonjunktur. So wurden etwa bereits Piktogramme für die Verkehrsschilder für Fussgängerstreifen geändert. Darauf sind jetzt neben Männern auch Frauen zu sehen.
Ein Tatbeweis findet sich auch in der Stadt Neuenburg. Dort wurde Tilo Frey ein Platz gewidmet, der ersten dunkelhäutigen Nationalrätin (FDP) der Schweiz. Das Feld räumen musste der rassistische Naturforscher Louis Agassiz.
Aber es gibt auch Bestrebungen in der Deutschschweiz in den Regionen von Bern, Zürich und Basel. Generell sind aber Frauen in der Politik und in der Öffentlichkeit in den Westschweizer Kantonen Genf, Waadt, Neuenburg und Jura sehr gut verankert.
In der Waadt etwa sind fünf von sieben Regierungsmitgliedern weiblich. Das hat noch kein Deutschschweizer Kanton geschafft. Es gibt sogar noch Kantone, die noch keine einzige Regierungsrätin haben.