Zum Inhalt springen

Geschlechtergetrennte Schulen St. Galler Politiker wollen Bundesgerichtsentscheid umgehen

  • Die katholische Mädchensekundarschule St. Katharina in Wil SG ist nicht verfassungskonform, hat das Bundesgericht entschieden.
  • Dagegen gibt es Widerstand: Mitte und SVP St. Gallen wollen dazu die Kantonsverfassung ändern.
  • So sollen geschlechtergetrennte Schulen respektiert und die Schulstrukturen gesichert werden.

Es gibt kaum Möglichkeiten, einen Bundesgerichtsentscheid zu umgehen. Die beiden St. Galler Kantonsratsfraktionen Mitte und SVP wollen dies aber erreichen, indem sie über eine Motion die Kantonsverfassung anpassen.

Vier Personen bei einer Medienkonferenz an einem Konferenztisch
Legende: SVP-Kantonsrat Sascha Schmid, Ständerätin Esther Friedli (SVP), Ständerat Benedikt Würth (Mitte) und Mitte-Kantonsrat Boris Tschirky (von links) informieren die Medien über die Motion. SRF/Karin Kobler

An vorderster Front kämpfen die Ständeräte Benedikt Würth (Mitte) und Esther Friedli (SVP). Entscheiden soll das St. Galler Stimmvolk.

Das Vorgehen

Box aufklappen Box zuklappen

Die Motion wird als Erstes im St. Galler Kantonsparlament behandelt. Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse dürfte sie dort durchkommen.

Anschliessend würde die Regierung eine Botschaft ausarbeiten, die sie nochmals dem Kantonsrat vorlegen würde.

Der Entscheid über die Verfassungsänderung würde anschliessend beim Stimmvolk liegen.

Ein Volksentscheid, die Kantonsverfassung zu ändern, müsste danach von der Bundesversammlung gewährleistet – also genehmigt – werden.

Dieser Entscheid wäre nicht anfechtbar.

Grund ist ein Entscheid des Bundesgerichtes vom 17. Januar 2025. Bei der mündlichen Urteilsverkündigung hob es nebst der religiösen Neutralität auch das Gebot der Gleichbehandlung hervor, das bei der Oberstufe «Kathi» nicht gegeben sei. In der Schweiz gelte der Grundsatz des gemischtgeschlechtlichen Unterrichts – der Koedukation. Monoedukativer Unterricht in einem bestimmten Fach könne ausnahmsweise zulässig sein.

Dieser ‹Übergriff› des Bundesgerichts ist unhaltbar.
Autor: Esther Friedli Ständerätin SVP/SG

«Wir zeigen auf, wie dieser Entscheid korrigiert werden soll», sagt der St. Galler Ständerat Benedikt Würth. Von einem politisch motivierten Urteil spricht Ständerätin Esther Friedli. «Das Bundesgericht gefährdet mit seinem Urteil die Zukunft dieser im Kanton St. Gallen breit anerkannten Schulen.» Dieser «Übergriff» des Bundesgerichts sei «unhaltbar».

Für Beschwerdeführer rechtsstaatlich bedenklich

Sebastian Koller von den Grünen Prowil, der für die Öffnung des «Kathi» kämpfte, ist dieser Vorgang rechtsstaatlich bedenklich: «Mit dieser Übung wird nichts anderes versucht, als die Bundesverfassung zu umgehen.»

Eingereicht im Kantonsparlament wird die Motion am Montag von den beiden Fraktionspräsidenten Boris Tschirky (Mitte) und Sascha Schmid (SVP). In der Kantonsverfassung soll explizit festgehalten werden, dass für die Oberstufenschulzeit ein geschlechtergetrennter Unterricht zulässig ist.

Gewaltenteilung via Verfassungen

Box aufklappen Box zuklappen

Die Verfassung stellt mit verschiedenen Bestimmungen sicher, dass die Gewaltenteilung nicht durchbrochen wird und die richterliche Gewalt sich nicht über die gesetzgebende Gewalt erhebt.

Art. 189 Abs. 4 BV hält beispielsweise fest, dass Akte der Bundesversammlung beim Bundesgericht nicht angefochten werden können. Die Anerkennung einer neuen St. Galler Kantonsverfassung wäre ein solcher Akt.

Selbst wenn das Bundesgericht anderer Meinung wäre als die Bundesversammlung und eine neue St. Galler Kantonsverfassung als bundesverfassungswidrig einstufen würde, bliebe dies ohne Konsequenzen. Das Bundesgerichtsurteil würde dann zwar nicht nichtig, aber folgenlos. Da das Bundesgericht die Bundesverfassung auslegt und auch zu einem anderen Schluss hätte kommen können.

SRF 4 News, 7.3.2025, 10:00 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel