Wegen der Delta-Variante würden die Coronazahlen in Europa steigen, und das wahrscheinlich auch in den nächsten Wochen, sagte die Sprecherin des Weissen Hauses am Montag. Die Einreise aus dem Schengenraum – und damit auch aus der Schweiz – sei damit für Personen ohne US-Staatsbürgerschaft weiterhin nur in Ausnahmefällen möglich. Martin Naville von der Schweizerisch-Amerikanischen Handelskammer kann das nachvollziehen. Doch auf lange Sicht müsse es mehr Ausnahmebewilligungen für Wirtschaftsvertreter geben.
SRF News: Haben Sie Verständnis für die Haltung der USA?
Martin Naville: Es ist für unsere Mitglieder natürlich ein Ärgernis, dass sie immer noch nicht einreisen dürfen, aber aus Sicht der USA ist es sinnvoll. Erstens ist es die binnenwirtschaftlichste Wirtschaft der Welt, das Land mit dem geringsten Import und Export im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt. Zweitens brauchen die USA keine ausländischen Touristen, sie haben schon zu viele amerikanische Touristen und zu wenig Mitarbeiter. Und drittens ist das politisch ein ganz heisses Eisen.
Für die wichtigsten Reisen ist zwar gesorgt. Aber ein Ärgernis ist es natürlich trotzdem.
Die Demokraten müssen in einem guten Jahr wieder an die Urnen und ihre knappe Mehrheit verteidigen. Wenn nun die Administration von Joe Biden eine Öffnung beschliessen würde und es kämen Superspreader in die USA, vor allem mit der Delta-Variante, wäre das sehr heikel.
So schlimm ist das also gar nicht für die Schweizer Wirtschaft?
Nein. Die Import- und Exportzahlen sowie die Investitionszahlen waren auch letztes Jahr sehr gut. Die US-Botschaft in Bern ist sehr effektiv und versucht, diese Ausnahmen, diese sogenannten «National Interest Exceptions», auch wirklich zu bewilligen. Darum ist für die wichtigsten Reisen gesorgt. Aber ein Ärgernis ist es natürlich trotzdem.
Im März 2020 sagten Sie, wenn der Einreisestopp länger dauere, habe das «radikale Konsequenzen». Jetzt dauert er schon 18 Monate...
«Länger» ist ein dehnbarer Begriff. Wir dachten damals nicht, dass es anderthalb Jahre gehen wird. Und wenn das jetzt jahrelang so bleibt, ist es schon radikal. Aber wir dachten nicht, dass sich virtuelle Meetings so gut einbürgern würden. Und dank der Ausnahmen, die es seit Juli 2020 gibt, sind die wichtigsten Reisen trotzdem möglich. Die Massnahmen sind also sicher negativ, aber sie hatten keine radikalen Konsequenzen.
Bis wann müssten die Grenzen spätestens wieder öffnen?
Eine Deadline gibt es nicht. Wichtig ist, dass die USA ihre Ausnahmeregelung wirklich pragmatisch umsetzen. Vor zwei Wochen hat die Regierung beschlossen, dass diese Ausnahmebewilligungen künftig mehrfache Einreisen innerhalb von zwölf Monaten erlauben.
Ich hoffe, dass man im Spätherbst oder Anfang Winter wieder nach Amerika reisen kann.
Das hat schon sehr viel vereinfacht für jene, die aus wichtigen Gründen regelmässig hingehen müssen. Und wir hoffen sehr, dass die Anzahl Gründe für diese Ausnahmen zunehmen. Dann wird für die Schweizer Wirtschaft sicher nicht alles gut, aber es ist möglich, dass es keine massiven negativen Konsequenzen hat.
Würden Sie eine Prognose wagen, wann die USA die Grenzen für Touristinnen und Touristen wieder öffnen?
Nein. Wenn sich die Situation mit der Delta-Variante weiter massiv negativ weiterentwickelt, könnte das Ganze noch länger dauern. Ich hoffe, dass man im Spätherbst oder Anfang Winter wieder in die USA reisen kann. Ich selbst war auch schon bald zwei Jahre nicht mehr dort. Das ist mir noch nie passiert. Ich möchte meine Mitglieder drüben wieder besuchen, aber ich fürchte, es stehen noch einige Monate Wartezeit an.
Das Gespräch führte Roger Aebli.