- Der Friedhof Sihlfeld bleibt nachts geöffnet. Seitdem gibt es Probleme: Drogen, Alkohol, anonymer Sex.
- Die Stadt argumentiert, man wolle den Friedhof den Anwohnern rund um die Uhr zugänglich machen – als Park zur Erholung. Auf dem Friedhof wird grilliert, gejoggt, manche liegen halbnackt an der Sonne.
- Die Angehörigen von Verstorbenen wehren sich. Sie fordern rasch eine Schliessung in der Nacht und strengere Regeln am Tag.
Antonio Z. traute seinen Augen nicht, als er in unmittelbarer Nähe des Grabes seiner Eltern zwei Champagnerflaschen fand. Immer wieder stört er sich an jungen Leuten, die eine Party feiern, während er in stiller Trauer vor dem Grab steht. «Was soll ich denn machen», sagt Z. zur «Rundschau». «Ich kann dort nicht einfach einschreiten. Das traue ich mich nicht.»
Es wird wohl nie mehr besser, sagt sich der Schweizer mit italienischen Wurzeln. Nun hat er entschieden, dass seine Eltern umgebettet werden sollen – irgendwohin, wo es ruhiger und gesitteter zugeht.
Angefangen hat es vor drei Jahren, als der Zürcher Stadtrat beschloss, die Friedhöfe nachts offenzulassen. Wie alle anderen Parks sollen auch sie für die Anwohner jederzeit zugänglich sein. Bloss, was will jemand um Mitternacht auf einem Friedhof?
Jederzeit zugänglich – Platz für Obdachlose
«Er wird als Durchgang genutzt», sagt Rolf Steinmann, Friedhofsleiter im Sihlfeld. «Ausserdem gibt es auf dem Friedhof einige lauschige Plätze. Zürich ist eine Grossstadt. Wir nehmen in Kauf, dass auch Jugendgruppen und Obdachlose hier verkehren.»
Zu viel für Max Rupper. Der pensionierte Architekt hat schon benutzte Präservative auf dem Grab seiner Eltern gefunden. «Früher war ich zwei-, dreimal in der Woche hier», sagt er. «Jetzt vielleicht noch einmal im Monat.» Nun hat sich Rupper einen Anwalt genommen und klagt, der Friedhof sei nachts wieder zu schliessen. Rupper: «Das kostet mich viel Geld und viel Nerven. Aber ich bin der Überzeugung, dass ich gewinne.»
Rupper steht nicht alleine da. Die Bezirks-FDP hat dreihundert Unterschriften gesammelt und eine Petition eingereicht. Das Ziel: Feste Benimm-Regeln, mehr Kontrollen tagsüber und nachts eine Schliessung des Friedhofs Sihlfeld. Geplant ist ein Runder Tisch mit Anwohnern und kommende Woche ein Podium mit Stadtpräsidentin Corine Mauch.
«Wir sind eine intolerante Gesellschaft geworden», sinniert Friedhofsleiter Steinmann. Gerade in Corona-Zeiten mit Homeoffice zieht es die Menschen ins Grüne. Steinmann: «Leute kommen ja nicht nur zu uns, weil hier ein Angehöriger liegt. Sondern auch, weil sie Ruhe brauchen.»