Ein Vertrag mit einem Hersteller von Knie- und Hüftprothesen hat es dem Seespital jahrelang erlaubt, Implantate mit hohen Rabatten zu beziehen. Statt den Listenpreis von 4500 Franken musste das Spital zum Beispiel für eine Prothese nur 2700 Franken bezahlen. Solche Verträge zwischen Herstellern und Spitälern sind nicht aussergewöhnlich, doch in diesem Fall wurde die Krankenkasse Helsana hellhörig: Denn die Rabatte wurden nicht weitergegeben, Versicherer sowie Patientinnen und Patienten hatten den vollen Listenpreis zu entrichten. Belohnt wurden dafür die Belegärzte, die das Produkt benutzten. Sie erhielten pro eingesetzte Prothese einen Zustupf. Für das Spital lohnte sich die Praxis: Es soll dank dem vergünstigten Bezug der Implantate zwischen 2013 und 2019 einen Millionenbetrag gespart haben.
Vereinbarung zwischen Spital und Helsana
Auf eine Intervention der Krankenkasse Helsana, die Vergütungen zurückforderte, reagierte das Seespital zuerst mit einem Gutachten. Dieses kam zum Schluss, das System sei korrekt. Doch der Versicherer Helsana vertritt eine andere Rechtsauffassung und setzte sich durch. Das Seespital unterzeichnete eine Vereinbarung und verpflichtete sich, der Kasse einen Betrag zu überweisen. Ein Helsana-Sprecher bestätigt entsprechende Informationen von «SRF Investigativ». Um wie viel Geld es geht, sagt er nicht und verweist auf eine Verschwiegenheitserklärung der beiden Parteien.
Obwohl das Seespital zahlt: Als Eingeständnis für eine unzulässige Praxis sei dies keineswegs zu verstehen, betont eine Sprecherin. Die Rabatte seien Kassen sowie Patientinnen und Patienten zugute gekommen, denn sie hätten zu tieferen Basispreisen geführt. «Doch als kleines Regionalspital haben wir dem Druck des grossen Krankenversicherers nachgegeben und eine Vereinbarung in dieser Sache abgeschlossen.» Das Spital wolle keine langwierigen Gerichtsverfahren und strebe ein gutes und vertrauensvolles Einvernehmen mit den Krankenversicherern an.
Problematischer finanzieller Anreiz
Ganz anders beurteilt die Schweizerische Belegärzte-Vereinigung die Situation: Sekretär Florian Wanner hält es für problematisch und gesetzlich unzulässig, wenn Ärztinnen und Ärzte dafür belohnt werden, ein bestimmtes Produkt zu verwenden. Wenn ein finanzieller Anreiz bestehe, ein Implantat einzusetzen, könne dies dem Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt schaden. Zudem wolle die Belegärzte-Vereinigung verhindern, dass Ärzte als Abzocker in Verruf gerieten.
Ein Belegarzt am Seespital, der besonders häufig die vergünstigt bezogenen Prothesen verwendete, widerspricht der Ansicht, das System sei unzulässig. Er verweist auf das Gutachten des Seespitals. Für ihn zähle das Patientenwohl, und er benutze für einen Eingriff das beste vorhandene Implantat, sagt der Orthopäde. Er hat eine wichtige Funktion in der Zürcher Gesellschaft der orthopädischen Chirurgen inne und hält fest: Falls im Raum stünde, er profitiere von einer nicht konformen Praxis, dann weise er das entschieden zurück.