Das Parlament möchte den Krankenkassen mehr Macht zugestehen. Sie sollen mitsteuern. Denn: «Wo ein Überangebot besteht, wird überkonsumiert. Das generiert Kosten, die schliesslich bei den Prämien zu spüren sind», sagt Marco Romano, der die Kassen vertritt.
Mit der Lockerung des Vertragszwangs könnten die Versicherer dem entgegenwirken, sagt Romano. Dort, wo es gemäss Bund eine Überversorgung gibt, müssten die Versicherer nicht mehr mit allen Gesundheitsanbietern zusammenarbeiten.
Kantone können bereits steuern
Bereits seit 2021 können die Kantone in eben jenen Gebieten mit Überversorgung die Zulassung von Spezialistinnen und Spezialisten stoppen. Das werde auch gemacht, sagt Lukas Engelberger. Er ist Präsident der Gesundheitsdirektoren-Konferenz GDK.
Es entseht eine schwierige Situation: Ärztinnen, die vom Kanton zugelassen wurden, können nicht mit den Kassen abrechnen.
Engelberger ist gegen eine Lockerung des Vertragszwangs. Er befürchtet eine «völlig unübersichtliche Situation», wenn zu den kantonalen Einschränkung solche der Krankenkassen hinzukämen.
«Es entseht eine schwierige Situation, wenn die Patienten nicht mehr darauf zählen können, dass Ärztinnen, die vom Kanton zugelassen wurden, nicht mit den Kassen abrechnen dürfen», sagt Engelberger.
Dem hält Versicherungsvertreter Romano entgegen, dass es um die Kunden gehe – die Kassen würden für die Kundinnen um die besten Ärztinnen, Kliniken und Therapeuten streiten. So würde die Qualität verbessert, so der stellvertretende Direktor des Krankenkassenverbands Prio.swiss.
Nur die Kassen sind für Vertragsfreiheit
Weniger positiv sieht das Ganze Mario Fasshauer. Er vertritt die Patientinnen und Patienten. Manche von ihnen müssten womöglich ihren Arzt wechseln, wenn dieser auf einmal nicht mehr mit der Kasse abrechnen könnte, sagt er. «Deshalb ist dies abzulehnen.»
Die beruflichen Rahmenbedingungen für Ärtzinnen und Ärzte würden unattraktiver.
Wenig Support kommt auch von Spitälern, Ärztinnen und Therapeuten. So sagt Ärztevertreterin Yvonne Gilli vom Ärzte-Berufsverband FMH etwa, eine Aufweichung des Vertragszwangs würde grosse Unsicherheiten für die Ärztinnen mit sich bringen.
Denn sie könnten nicht mehr sicher sein, dass sie ihre Leistungen auch abrechnen können. «Die beruflichen Rahmenbedingungen würden unattraktiver.» Und damit würde sich das Problem des Fachkräftemangels verschärfen. Auch stellt die FMH-Präsidentin grundsätzlich infrage, dass es überhaupt ein Überangebot gibt.
Kantonale Beschränkungen funktionieren gut
Das wiederum sehen die Versicherer und Kantone anders. Und die Kantone würden reagieren, sagt der Basler Gesundheitsdirektor Engelberger: «In Basel haben wir in definierten Fachbereichen keine neuen Leistungserbringer zugelassen – und das hat keineswegs zu einer Versorgungskrise geführt.»
Ob künftig auch die Krankenkassen mitsteuern sollen, wird das Parlament erneut diskutieren. Zunächst ist jetzt der Bundesrat am Zug: Er muss eine Vorlage ausarbeiten, wie eine solche Lockerung des Vertragszwangs konkret aussehen könnte.
Bis zu mehr Vertragsfreiheit der Krankenkassen ist also noch ein weiter Weg zu gehen.