Eine Masse von gewaltbereiten Leuten, welche Polizisten massiv angreifen und Sanitäter daran hindern, einen Schwerverletzten zu pflegen. Diese Szene hat sich am späten Samstagabend in der Stadt Zürich abgespielt. Der Vorfall sei aussergewöhnlich, sagt die Mediensprecherin der Zürcher Stadtpolizei, Judith Hödl. «Es ist tatsächlich eine neue Dimension, dass man bei einem Rettungseinsatz, wo es um Leben oder Tod gehen könnte, nicht zum Verletzten kommt, sondern zuerst einen wütenden Mob abwehren muss.»
Gewalt gegen Polizei nichts Neues
Gewalt gegen Polizisten ist an der Limmatstadt nichts Neues, doch der Vorfall sei wegen der schieren Menge der beteiligten Personen aussergewöhnlich, sagt SRF-Zürich-Korrespondent Christoph Brunner. So waren es nicht nur die mehreren Dutzend ursprünglich gewaltbereiten Personen, deren Streit für einen 18-Jährigen mit schweren Stichverletzungen endete.
Die vermummten teils in FCZ-Bekleidung agierenden Gewalttäter erhielten Unterstützung von mehreren hundert gewaltbereiten Passanten. Weshalb die Lage derart eskalierte, ist noch nicht geklärt.
Mehr als Hooliganismus
Dass es sich nur um einen weiteren Fall von Fan-Gewalt, sogenannten Hooliganismus handelt, wäre nach Einschätzung von Brunner eine zu einfache Erklärung. Auch wenn sich einmal bestätigt, dass Fan-Gewalt heute nicht mehr zwingend im Umfeld der Fussballstadien stattfindet, sondern immer mehr auch an anderen Hotspots in der Stadt.
Die Fussballclubs GC und FCZ machen nach solchen Fällen immer geltend, sie hätten nur geringen Einfluss auf das Verhalten ihrer Fans ausserhalb der Stadien. Trotzdem bildeten die Clubs Ende letzten Jahres eine Expertengruppe. Diese soll Massnahmen prüfen, um die Fans besser in den Griff zu bekommen. Erste Ergebnisse werden noch im laufenden Jahr erwartet.
Der Vorfall hat aber noch andere Aspekte als Fussball-Gewalt, wenn Hunderte Unbeteiligte spontan mitmachen. «Offenbar sind uniformierte Beamte mittlerweile ein so grosses Feindbild, dass man sich aus der Masse heraus an Angriffen beteiligt», sagt Brunner. Dagegen gebe es sicher keine einfachen Massnahmen.
Offenbar sind uniformierte Beamte mittlerweile ein so grosses Feindbild, dass man sich aus der Masse heraus an Angriffen beteiligt
Die neue Vorsteherin des Sicherheitsdepartements, Karin Rykart (Grüne), verurteilte den Vorfall vom Wochenende in einem Zeitungsbericht, will sich aber noch genau informieren lassen. Wann sie eine weitere Stellungnahme abgibt, ist noch offen. Bereits Rykarts Vorgänger im Sicherheitsdepartement legte zu diesem Thema verschiedene Massnahmen vor. So setzt die Zürcher Stadtpolizei bei Grossveranstaltungen wie Fussballspielen oder der Streetparade sogenannte Dialogteams ein. Dabei mischen sich Polizisten unter die Besucher und sollen dafür sorgen, dass gewisse Situationen gar nicht erst eskalieren.
Sind Bodycams die Lösung?
Eine weitere wichtige Massnahme sind die Bodycams, kleine Videokameras an der Uniform der Polizisten. Nach einem längeren Versuch ist die Stadtpolizei zum Schluss gekommen, dass die Kameras jedes Jahr Dutzende Angriffe auf Polizisten verhindern können. Dieses Projekt erbte Rykart bei Amtsantritt vor drei Monaten. Allerdings ist bekannt, dass sie Bodycams eher kritisch gegenüberstand. Dies hat sich nun geändert, wie heute bekannt wurde.
Der Vorschlag Sommaruga
Härtere Strafen nach Gewalt gegen Polizisten hat nicht nur die Stadtpolizei schon lange gefordert. Im April schlug Justizministerin Simonetta Sommaruga härtere Geldstrafen für Gewalttäter vor. Gefängnisstrafen, wie dies vielen Politiker fordern, sind nicht vorgesehen. Es dürfte also noch rege Diskussionen im Bundesparlament geben.