Kriegsähnliche Zustände mitten in Bern: 2017 eskaliert die gewaltsame Räumung eines besetzen Hauses, mehrere Polizeibeamte werden verletzt. Drei Beamte leiden heute noch an einem Tinnitus. Ein klassischer Fall von Gewalt gegen Polizeibeamte, sagt Max Hofmann von der Polizei-Gewerkschaft.
Autorität werde nicht anerkannt
«Das ist typisch, die Leute haben sich strafbar gemacht und sobald die Autorität kommt, werden sie gewalttätig», so Hofmann. «Man anerkennt die Autorität nicht mehr, das ist sehr problematisch.» Seit diesem Montag müssen sich 16 dieser Hausbesetzer vor Gericht verantworten. Angeklagt sind sie unter anderem wegen Gewalt und Drohungen gegen Behörden und Beamte gemäss Artikel 285 Strafgesetzbuch.
Um diesen Artikel 285 StGB geht es in der nationalrätlichen Diskussion vom Mittwoch. Im Rahmen der Harmonisierung der Strafrahmen stehen verschiedene Verschärfungen zur Debatte.
Mehr Freiheitsstrafen
Aktuell sieht der Artikel 285 folgendes vor: Begeht eine Einzelperson eine Gewalttat gegen einen Beamten, beginnt die Strafe bei einer Busse und geht hin bis zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren. Wird die Tat von einer Gruppe begangen, gibt es eine Mindeststrafe von einem Monat für den Anführer.
Zur Debatte stehen folgende Verschärfungen: Generell sollen vermehrt Freiheitsstrafen ausgesprochen werden, Bussen nur noch in leichten Fällen. Zudem sollen Straftaten, die in der Gruppe begangen werden, mit einer Mindeststrafe von 3 Monaten bestraft werden.
Gerichte würden zu stark eingeschränkt
Diesen Verschärfungen stehen Strafrechtler wie Niklaus Ruckstuhl von der Universität Basel skeptisch gegenüber: Strengere Strafen bedeuteten nicht weniger Taten. Zudem würden die Gerichte zu stark eingeschränkt. «Das nimmt den Behörden die Möglichkeit auf den jeweiligen Einzelfall einzugehen», kritisiert Ruckstuhl. «Schlimmstenfalls könnte man einen Automaten mit Daten füttern und der spuckt dann die richtige Sanktion aus. Für was brauchen wir dann noch Gerichte?»
In den letzten Jahren haben Angriffe auf Polizeibeamte zugenommen. Von gut 700 im Jahr 2000 auf über 3500.
Deshalb sehen vor allem bürgerliche Parlamentarierinnen und Parlamentarier Handlungsbedarf. Die Rechtskommission hat sich für Verschärfungen ausgesprochen, allerdings mit einem eher knappen Entscheid.
Lieber Gefängnis als Busse
Die Polizei-Gewerkschaft hofft, dass diese Verschärfungen auch durchkommen. Denn Max Hofmann ist unzufrieden mit der aktuellen Rechtsprechung. Er wünscht sich generell mehr kurze Freiheitsstrafen, und kritisiert damit die Gerichte. «Wenn einer mit einer Geldstrafe von ein paar Tagessätzen davon kommt und die Möglichkeit bestanden hätte, ihn ein paar Tage ins Gefängnis zu schicken, fände ich das die bessere Lösung», so Hofmann. Dann würde die betreffende Person wohl besser verstehen, was sie getan habe.
Schwere soziale Folgen
Ganz anderer Meinung ist Strafrechtler Ruckstuhl. «Wenn wir mehr kurze Freiheitsstrafen vollziehen, hätte das primär schwere soziale Folgen», sagt er. «Die betroffene Person verliert eventuell ihre Stelle, die Familie geht in die Brüche, und diese sozialen Folgen muss die Gesellschaft tragen, ohne dass es einen positiven Effekt hat.»
Letzten Sommer hat sich bereits der Ständerat dafür ausgesprochen, Gewalt gegen Polizei vermehrt mit kurzen Freiheitsstrafen zu sanktionieren.