Frida Andreotti ist Leiterin des Tessiner Justizamtes. Für sie ist klar: Die jetzige Situation ist für die weiblichen Strafgefangenen schlecht. «Die Frauen verbüssen ihre Strafen im Untersuchungsgefängnis. Dort sind die Bedingungen viel strenger als im Gefängnis.»
Die Frauen müssten viel mehr Zeit in der Zelle verbringen, bei ihrem kurzen Freigang sähen sie den Himmel draussen nur durch Gitterstäbe. Derweil könnten die männlichen Strafgefangenen draussen Fussball spielen.
Diese Ungleichbehandlung hat in den letzten Jahren zunehmend auch die Politik angeprangert. Denn seit die Frauenabteilung im Gefängnis «La Stampa» 2006 geschlossen wurde, wächst die Zahl der inhaftierten Frauen konstant. Es sind also mehr Frauen von dieser Ungleichbehandlung betroffen.
Mangelerscheinungen bei inhaftierten Frauen
Die Haftbedingungen würden sich auch auf die Gesundheit der Frauen auswirken, sagt Andreotti. Weil das Tageslicht fehlt, hätten sie Mangelerscheinungen. Die Leiterin des Justizamtes ist deshalb erleichtert, dass sich dieser Zustand bald ändern dürfte.
Will eine verurteilte Frau nicht mit verurteilten Männern zusammenarbeiten, muss sie das aber natürlich nicht.
Die Tessiner Regierung möchte im Männergefängnis «La Stampa» wieder eine Frauenabteilung einrichten. Nun muss das Parlament darüber entscheiden.
Dort werde es elf Zellen für Frauen geben, eine davon für den Fall, dass eine Gefangene ein Kind habe, erklärt Andreotti. «Es soll einen Schulraum geben, eine Werkstätte nur für Frauen und einen Aussenplatz. Dort können die Frauen draussen unter sich sein.»
Resozialisation schon im Gefängnis
Dass Bereiche vorgesehen sind, in denen die Frauen unter sich sein können, getrennt von den inhaftierten Männern, hat in diesem Fall eine besondere Bedeutung: Grundsätzlich setzt das neue Gefängniskonzept nämlich auf ein Miteinander von Männern und Frauen.
Das Stichwort dazu heisse Resozialisation, sagt Andreotti: «Wenn sie ihre Strafe verbüsst haben, müssen sie ja auch wieder zusammenleben können. Will eine verurteilte Frau nicht mit verurteilten Männern zusammenarbeiten, muss sie das aber natürlich nicht.»
Ein Novum in der Schweiz
Gemäss Bundesamt für Justiz sind die Verantwortlichen des Kantons Tessin schweizweit die ersten, die gemeinsame Aktivitäten zwischen männlichen und weiblichen Strafgefangenen zulassen wollen. Gratis sei diese Resozialisierungsmassnahme aber nicht zu haben, sagt Andreotti. Es brauche deutlich mehr Sicherheitspersonal. Drei Millionen Franken soll diese neue Tessiner Frauengefängnissektion kosten.
Sagt das Tessiner Parlament ja dazu, und das ist sehr wahrscheinlich, könnten in zwei Jahren die ersten Frauen dort ihre Haft antreten. Längere Haftstrafen werden weibliche Tessiner Strafgefangene auch künftig in einem grossen Frauengefängnis in der Deutschschweiz oder der Westschweiz absitzen müssen.