Auf Glatteis geraten kann man zurzeit nicht nur in der Schweiz. Das muss im Moment Aussenminister Cassis auf seiner Afrikareise erfahren. Er hat sich mit seinem Besuch der umstrittenen Mopani-Mine des Schweizer Rohstoffkonzerns Glencore politisch auf Glatteis begeben.
Cassis war beeindruckt
Die Kupfermine in Sambia gehört einer Tochter des Schweizer Rohstoffkonzerns Glencore und steht seit Jahren in der Kritik. Weil sie dort keine Gewinnsteuern bezahlt und weil ihr vorgeworfen wird, sie habe jahrzehntelang Umwelt und Menschen geschädigt. Cassis liess sich vom Konzern die Mine zeigen und twitterte danach, er sei beeindruckt von den Bemühungen, die Anlage zu modernisieren und die Jungen auszubilden.
Tatsächlich attestieren auch Kritiker dem Konzern, dass er den Giftausstoss der Mine verringert hat. Doch den immensen Schaden der letzten Jahrzehnte habe er nicht wieder gut gemacht. Für diese Seite aber interessierte sich der Aussenminister in Sambia nicht. Er habe vor der Reise über die Kritik gelesen, die beziehe sich grösstenteils auf frühere Zeiten, sagte Cassis auf Nachfrage der «Tagesschau». Und dass der Konzern in Sambia keine Steuern bezahle? Die Schweiz sei keine Steuerbehörde für Afrika, zudem habe der Konzern ja viel investiert.
Das grosse bundesrätliche Verständnis kommt für Glencore zu einem idealen Zeitpunkt: Das Unternehmen zittert vor der Konzernverantwortungs-Initiative, die Konzerne auch für Schäden im Ausland zur Verantwortung ziehen will. Weil das Anliegen in breiten Kreisen Sympathien geniesst, will der Nationalrat den Initianten entgegenkommen mit einem Gegenvorschlag – demnächst befasst sich die Ständeratskommission damit. Kein Wunder, packte Glencore die Gelegenheit beim Schopf und nutzte Cassis' Tweet gleich zu Werbezwecken.
Als Bundesrat zum Werbeträger eines umstrittenen Konzerns zu werden: Das dürfte Ignazio Cassis kaum bezweckt haben. Aber er hat es in Kauf genommen. Wenn man soziale Medien nutze, müsse man mit einer Weiterverwendung rechnen, sagt sein Mediensprecher.
Nun muss sich Cassis gegen den Vorwurf wehren, er lasse sich zu sehr von spezifischen Wirtschaftsinteressen leiten. Dabei ist Aussenwirtschaftspolitik nicht mal Aufgabe des Aussenministers – sondern jene von Wirtschaftsminister Guy Parmelin.
Cassis hat missachtet, was er selber stets predigt: Aussenpolitik ist Innenpolitik. Konkret hätte dies geheissen: Auf den Besuch beim umstrittenen Unternehmen verzichten. Oder dort auch Kritikerinnen treffen. Zumindest aber keinen lobenden Tweets zum Besuch verfassen.
Für politische Kommunikation gilt zuweilen dasselbe wie für Kalorien nach Festtagen: Weniger wäre mehr.
Sendebezug: Tagesschau, 19.30 Uhr