Es ist 2013 und die Firma Valve, Betreiberin der Game-Plattform Steam, hat ein Problem. Jahrelang hatte der im Jahr 2000 veröffentlichte First-Person-Shooter «Counter Strike» Geld in die Taschen von Valve gespült und Steam mit neuen Spielern versorgt.
Doch das Game war in die Jahre gekommen, andere Shooter hatten ihm den Rang abgelaufen. Obendrein waren auch die «Counter Strike»-Spieler selbst aufgesplittet; sie verteilten sich auf verschiedene Ausgaben des Games.
Um die neuste Version, «Counter Strike: Global Offensive» (kurz: «CS:GO»), zu stärken, kamen die Programmierer von Valve auf eine geniale Idee. Sie veröffentlichten das «Arms Deal»-Update, das eine Art virtuellen Waffenhandel möglich machte.
Nicht mit echten Waffen natürlich und auch nicht mit den eigentlichen Spielwaffen, sondern mit sogenannten Skins – rein kosmetischen Veränderungen, die einer Waffe ein neues Aussehen geben. Skins färben ein schwarzgraues Messer regenbogenfarbig ein. Oder sie überziehen ein Maschinengewehr mit einem Leopardenmuster.
Spieler können Skins im Game gewinnen oder kaufen. Sie können auch untereinander handeln und mit anderen Spielern tauschen. Der Markt funktioniert auf dem virtuellen Handelsplatz: Einige Skins sind seltener als andere und deshalb besonders gefragt und teuer. Wer seine Spielfigur zum Beispiel mit einem der begehrten Karambit-Messer mit Farbverlauf ausstatten will, zahlt dafür gut 400 Dollar. Andere Skins werden sogar für mehrere tausend Dollar gehandelt.
Mit der Zeit wurden die Skins so zu einer virtuellen Währung. Sie muss bei Steam allerdings virtuell bleiben, denn ein Guthaben kann nur auf der Plattform gebraucht und nicht als echtes Geld ausgezahlt werden.
Virtuelle Waffen, echtes Geld
Für Valve war das «Arms Deal»-Update ein grosser Erfolg. Sieben Monate nach seiner Einführung hatten sich die Spielerzahlen von «CS:GO» im Vergleich zum Vorjahr versechsfacht. Der Erfolg hielt an: 2016 spielten jeden Tag durchschnittlich 342'000 Menschen den First-Person-Shooter, eine moderne Version von Räuber-gegen-Polizei. Bis heute wurde das Game über 30 Millionen Mal heruntergeladen.
Valve hat dabei die völlige Kontrolle über die Skin-Produktion. Alle Monate veröffentlicht die Firma ein neues «CS:GO»-Update und bestimmt damit, welche Skins in welchen Mengen auf den Markt kommen. Valve ist auch am Handel auf dem Marktplatz beteiligt und kassiert für jeden verkauften Skin eine Provision von 15 Prozent.
Allerdings sind im Steam-Community-Market nur Verkäufe bis zu einem Wert von 400 Dollar möglich. Seltene, besonders teure Skins können dort also nicht gehandelt werden. Schon bald entstanden deshalb im Internet unabhängige neue Webseiten, auf denen diese Beschränkung nicht gilt. Diese Seiten nutzen die offene Programmierschnittstelle (API) der Steam-Plattform, um ihre eigenen Marktplätze an den von Steam anzuschliessen. Über Anbieter wie Paypal oder Zahlungen in der Kryptowährung Bitcoin können Skins dort auch zu Geld gemacht werden.
Von Skin-Handel zum Skin-Gambling
Der Erfolg von «Counter Strike: Global Offensive» machte das Game auch für E-Sports interessant. Heute zählt es zu den wichtigsten Titeln in diesem Bereich und hat seine eigenen Turniere. So spielten an den World Electronic Sports Games Anfang Jahr acht Teams mit insgesamt 40 Spielern um eine Preissumme von 1,5 Millionen Dollar. Solche Spitzenmatches werden von vielen Millionen Fans verfolgt. Nicht wenige davon wollen auf den Ausgang einer Partie wetten.
Doch Sportwetten mit Geld sind in der Schweiz, in vielen europäischen Ländern und auch in den meisten US-Bundesstaaten verboten. Einige der Webseiten, auf denen mit «CS:GO»-Skins gehandelt wird, haben deshalb ein Schlupfloch gefunden: Statt mit echtem Geld, wird dort mit Skins gewettet. «Skin-Gambling» heisst dafür der englische Fachausdruck. Die Gewinne bei diesen Wetten müssen nicht virtuell bleiben, denn die Skins können in einem späteren Schritt leicht zu Geld gemacht werden.
Laut der auf Glücksspiele spezialisierten Analyse-Firma Naruscope geht es beim «Skin-Gambling» um enorme Summen : 2016 sollen gut 5 Milliarden Dollar bei Wetten auf solchen Seiten eingesetzt worden sein. Nicht wenig davon wandert in die Taschen der Betreiber der Wettseiten.
Sportwetten machen dabei nur mehr knapp die Hälfte der Einsätze aus, der Rest verteilt sich auf Glücksspiele wie Roulette, Lotto oder den Wurf einer virtuellen Münze. «CS:GO»-Skins sind dabei so etwas wie die offizielle Währung, sie kommen bei rund 80 Prozent der Wetten zum Einsatz.
Weil nicht mit echtem Geld gespielt wird, bewegen sich die Anbieter in den USA in einem legalen Graubereich. Da Skins aber auch in echtes Geld umgewandelt werden können, wären solche Seiten in der Schweiz aber verboten. Der Eidgenössischen Spielbankenkommission (ESBK) sind auf Anfrage keine Fälle von Anbietern in der Schweiz bekannt. Gegen Webseiten aus dem Ausland, die sich oft in Ländern ohne Glücksspiel-Gesetzgebung finden, kann die ESBK nicht vorgehen.
Erst das neue Schweizer Geldspielgesetz könnte Netzsperren gegen solche Seiten möglich machen. Das Gesetz wird noch vom National- und Ständerat beraten. Nicht alle Parlamentarier halten Netzsperren für eine gute Lösung, denn sie können als eine Form von Zensur verstanden werden. Das Gesetz wird frühestens am 1. Januar 2019 in Kraft treten, in welcher endgültigen Form ist noch offen.
Ein paar Seiten schliessen, noch mehr neue gehen auf
Kaum eine der «Skin-Gambling»-Webseiten betreibt eine Alterskontrolle. Darum verspielen auch viele Jugendliche dort ihr Geld – in vielen Fällen ist es wohl auch das Geld ihrer Eltern. Die Firma Valve muss deshalb immer wieder scharfe Kritik einstecken, denn sie macht das Glücksspiel mit Skins erst möglich, weil sie es zulässt, dass «Skin Gambling»-Seiten die Programmierschnittstelle der Steam-Plattform nutzen.
Wer sich auf einer «Skin-Gambling»-Webseite anmeldet, muss sich in der Regel dort auch gleich bei Steam einloggen. Und mit der Provision von 15-Prozent profitiert Valve auch finanziell vom Skin-Handel, der das Glücksspiel begleitet.
Die Gambling Commission des US-Bundesstaates Washington (dem Sitz von Valve) hat deshalb im Oktober 2016 von Valve gefordert, sämtlichen Datentransfer mit Wettseiten sofort einzustellen.
Valve wehrt sich dagegen und betont, in keiner Geschäftsbeziehung mit solchen Webseiten zu stehen und dass die Wettanbieter darüber hinaus gegen die Nutzerrichtlinien der Steam-Plattform verstossen würden. Ausserdem könne man die Programmierschnittstelle nicht einfach schliessen, ohne damit nicht auch Dienste zu unterbinden, die allen Benutzern zu gute kommen.
Erst nachdem auch Zivilklagen gegen Valve eingereicht wurden, ging das Unternehmen härter gegen die Wettseiten vor und drohte mit rechtlichen Schritten, wenn sie mit ihren Geschäften weiterhin gegen Valves Richtlinien verstossen. Allerdings: Nur die Hälfte der etwas über 40 Webseiten, die Valve so verwarnt hatte, wurden tatsächlich geschlossen.
Im Gegenteil: Es entstanden zur gleichen Zeit munter neue. Die Analyse-Firma Naruscope korrigierte ihre Markterwartungen deshalb nur leicht nach unten. Statt von einem Wettvolumen von 20 Milliarden Dollar im Jahr 2020 geht sie jetzt noch von 12,9 Milliarden aus.
Schleichwerbung für die eigene Lotto-Seite
«Skin Gambling» bleibt ein lukratives und weitgehend unreguliertes Geschäft. Von den meisten Wettseiten ist nicht bekannt, wer sie betreibt. Was das für Folgen haben kann, zeigt das Beispiel von CSGOLotto und der beiden Youtuber Trevor Martin und Tom Cassell. Die heute 24-jährigen sind mit ihren Let’s-Play-Videos schon als Teenager berühmt und reich geworden.
Beide haben auf Youtube mehrere Millionen Abonnenten, vor allem Jugendliche, die ihnen regelmässig beim Spielen zuschauen. Sie veröffentlichten aber auch Videos mit Titeln wie «$24,000 COIN FLIP HUGE CSGO BETTING! + Giveaway» oder «HOW TO WIN $13,000 IN 5 MINUTES CS GO Betting».
Die Videos zeigten, wie sie in kurzer Zeit bei CSGOLotto viel Geld verdienten. Was sie verschwiegen: Beide waren selber Mitbesitzer von CSGOLotto.
Die amerikanische Federal Trade Commission (FTC), die sich in letzter Zeit immer öfter mit Schleichwerbung von Social-Media-Influencern befassen muss, hat nun ein Urteil in dem Fall gesprochen. Es ist keine Strafe, sondern höchstens eine Warnung. Die FTC verlangt von Martin und Cassel lediglich, in Zukunft klar zu machen, in welcher Beziehung sie zu einem beworbenen Produkt oder Dienst stehen. Strafe müssen die beiden jugendlichen Millionäre keine zahlen und auch vor einer Freiheitsstrafe hat die FTC abgesehen. Wenig Grund also, in Zukunft mit dem einträglichen Wettgeschäft aufzuhören.