SRF News: Der Gotthard-Basistunnel wird bald eröffnet. Bringt er auch dem Gütervekehr etwas?
Dirk Stahl: Systembedingt haben wir bei der Bahn nicht so eine einfache Welt wie auf der Strasse, wo ein LKW-Fahrer ohne Sprachkenntnisse durch halb Europa fahren kann. Für die Bahn ist es komplexer. Wir sind aber laufend daran, uns zu verbessern.
Hat sich in den letzten Jahren hat sich dieses Problem mit den sehr niedrigen Dieselpreisen akzentuiert?
Ja, die Wettbewerbssituation zur Strasse ist sehr intensiv. Die Strasse kann durch die niedrigen Dieselpreise viel billiger fahren. Wir in der Schweiz mit dem starken Franken haben auch noch das Problem, dass unsere Kostenstrukturen sehr teuer sind. Aber nichtsdestotrotz, die Schiene hat die Chance, auf langen Strecken wettbewerbsfähig zu fahren, zum Beispiel zwischen Rotterdam und Mailand.
Wenn der Personenverkehr mehr Nachfrage generiert, beginnt man, den Güterverkehr zu verdrängen.
Bremst der Personenverkehr den Güterverkehr aus? Wie hart wird der Kampf um die Durchfahrtsrechte durch den neuen Tunnel?
Wir haben die Erfahrung aus der Eröffnung des Lötschberg-Basistunnels. Wenn der Personenverkehr mehr Nachfrage generiert, beginnt man, den Güterverkehr zu verdrängen. Dann wird mehr Personenverkehr gefahren und weniger Güterverkehr. Das hat dazu geführt, dass wir am Lötschberg wieder viele Güterzüge über die alte Strecke fahren. Das versuchen wir natürlich beim Gotthard zu verhindern. Ich sehe da eine gewisse Gefahr, deshalb fordern wir ganz klar, dass dem Güterverkehr Trassenkapazitäten, also eine gewisse Anzahl Züge, die durch den Tunnel fahren können, zugeordnet werden. Diese können dann nicht durch den Personenverkehr verdrängt werden.
Da ist noch vieles offen?
Ja, es gibt noch Themen, die offen sind. Wir haben eine Ausgangslage, die ist klar, es sollen pro Stunde sechs Güterzüge in jede Richtung geben und pro Stunde zwei Personenzüge pro Richtung. Das wollen wir jetzt fixiert sehen. Es gibt neue Vereinbarungen mit dem Bundesamt für Verkehr, die das festschreiben sollen. Das fordern wir ein. Wenn es nicht gemacht wird, wird die Macht des Faktischen den Güterverkehr eher verdrängen.
Sie haben mit dem Gotthardbasistunnel weniger Steigung, es braucht weniger Lokomotiven. Das Bundesamt für Verkehr rechnet mit einer Produktivitätssteigerung von mindestens 30 Prozent. Ist das realistisch?
Wir halten diese Werte für etwas zu optimistisch. Es gibt viele Rahmenbedingungen, die im Zusammenspiel zwischen Personen- und Güterverkehr bestehen. Es gibt auch noch gewisse Unklarheiten, wie schwer die Züge dann wirklich sein können, wenn sie durch den Tunnel fahren. Wir gehen heute eher von einer Produktivitätssteigerung von zehn bis fünfzehn Prozent aus.
Sie haben in diesem Zusammenhang an der letzten Bilanzmedienkonferenz auch die Forderung gestellt, dass die Subventionen weniger schnell abgebaut werden sollen. Wollen Sie weiterhin auf diese Subventionen zählen?
Grundsätzlich finden wir es richtig, dass wir daran arbeiten, dass der Güterverkehr irgendwann selbsttragend wird und ohne Subventionen auskommen kann. Gute Infrastrukturen helfen sehr stark, dieses Ziel zu erreichen. Wir sind allerdings sehr unsicher, ob dieser klare Schnitt, den das BAV plant, nämlich 2023 ganz damit aufzuhören, heute schon abschliessend so bestimmt werden kann. Wir glauben, das BAV müsste in den nächsten Jahren gut beobachten, wie sich die Produktivitätssteigerung wirklich entwickelt, wie viel Verkehr wirklich verlagert wird und dann Jahr für Jahr die Entscheidung nochmal treffen sollte, wie stark man die Abgeltung wirklich reduzieren kann.
Wenn die Subventionen zu schnell abgebaut werden, droht dann eine Rückverlagerung auf die Strasse?
Das ist die Gefahr. Wir wollen alle langfristig die Verlagerungspolitik zum Erfolg bringen, darum darf es keine Schnellschüsse geben.