Der Brief lag heute in vielen Briefkästen in der Deutschschweiz. «Wichtige Ergänzende Informationen zur Jodtabletten-Verteilung». So lautet die Überschrift des Schreibens. Gemäss dem Brief haben die zuständigen Behörden nicht erwähnt, dass Jodtabletten «nicht vollumfänglich» vor einem Atomunfall schützen.
Absender des Schreibens: Die Organisation Greenpeace. Auf dem Flyer findet sich aber kein Hinweis darauf, das der Zettel von der Umweltorganisation stammt. «Es ist erschreckend, wie unzureichend und irreführend die Behörden über die Jodtabletten-Verteilung informieren», wird der verantwortliche Kampagnenleiter bei Greenpeace in einer Medienmitteilung zitiert.
Bevölkerung verunsichert
Die Organisation wirft den Behörden vor, Sie habe die Bevölkerung ungenügend über die Gefahren eines AKW-Unfalls informiert. In einem solchen Notfall sei niemand «gut geschützt». Die Organisation kritisiert, dass die Jodtabletten zwar gegen radioaktives Jod schützten, jedoch nicht gegen andere radioaktive Substanzen, die bei einem Atomunfall austreten könnten. Als Schutz wirksamer wäre die Stilllegung der Atomkraftwerke, heisst es im Brief.
Als Absender wird die «Geschäftsstelle Kaliumiodid-Versorgung» des Bundesamts für Gesundheit genannt (BAG). Im Gespräch mit SRF distanzierte sich Tony Henzen, Leiter der Geschäftsstelle von den Schreiben. «Wir haben zahlreiche Anrufe deswegen erhalten. Die Menschen sind verunsichert», sagt Henzen. Viele glaubten, der Brief stamme von der Geschäftsstelle; einige hätten sich bereits über fehlende Neutralität beklagt. Ob der Bund gegen Greenpeace rechtliche Schritte einleitet, ist noch nicht klar.
Verteilung der Tabletten läuft
Der Zeitpunkt der Guerilla-Aktion kommt nicht von ungefähr: Bis Ende November läuft die Neuverteilung der Jodtabletten. Knapp fünf Millionen Personen erhalten diese in diesen Wochen – dazu Informationsmaterial zum Verhalten bei einer AKW-Katastrophe in ihrem Briefkasten.
Alle Menschen, die im Umkreis von 50 Kilometern um die AKW Mühleberg (BE), Gösgen (SO), Beznau I und II (AG) und Leibstadt (AG) wohnen, erhalten per Post im Auftrag des Bundes kostenlos eine Packung mit je zwölf Jodtabletten.
Die Jodtabletten dienen der Vorsorge und dürfen im Ereignisfall nur auf Anordnung der Behörden eingenommen werden. Bei einem schweren AKW-Zwischenfall kann radioaktives Jod in die Umgebung austreten. Dieses wird vom Menschen durch die Atemluft aufgenommen und reichert sich in der Schilddrüse an. Jodtabletten verhindern die Aufnahme von radioaktivem Jod in die Schilddrüse.