Die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die bestehenden regionalen Wirtschaftsstrukturen sind beim Krisenmanagement zu wenig beachtet worden. Zu diesem Schluss kommt ein aktueller Bericht der Universität St. Gallen und der Fachhochschule Graubünden. Dieser Bericht ist im Auftrag der Ostschweizer Regierungskonferenz erstellt worden und zeigt die Folgen der Corona-Grenzschliessungen für die Ostschweiz auf.
Die Grenzregionen sind einfach zu weit weg von den nationalen Zentren.
Die betroffenen Länder hätten die Krise sehr unterschiedlich zu bewältigen versucht. Wegen der verschiedenen Massnahmen in den Regionen der einzelnen Länder sind Wirtschaftsbereiche gehemmt worden, belegt die Studie.
Weniger Ferientourismus
Insbesondere haben die Bereiche Tourismus und Konsum gelitten. Der Ferientourismus ist deutlich zurückgegangen: So brechen mit der Grenzschliessung im März 2020 die Logiernächte in der Hotellerie in der Ostschweiz und auch schweizweit ein und erreichen mit etwa 10 Prozent des Vorjahreswerts im April ihren Tiefpunkt.
Ebenso bricht der Konsum über die Grenzen zusammen. Allein beim Konsum mit Deutschland dürften rund 700 Millionen Euro weniger umgesetzt worden sein, schätzt der Thurgauer Regierungsrat Walter Schönholzer.
Der internationale Handel hat gelitten
Weniger stark betroffen waren die grenzüberschreitenden Lieferketten der Industrie und des Gewerbes. Diese waren nur für kurze Zeit erschwert und pendelten sich rasch wieder ein. Allerdings zeigt der Bericht, dass der internationale Handel der Ostschweiz stärker unter der Covid-19-Pandemie und den entsprechenden Massnahmen litt, als jener anderer Grenzregionen der Schweiz. Da die Exportnachfrage tief war, wirkten sich die internationalen Verflechtungen der regionalen Wirtschaft negativ auf den Wirtschaftsstandort Ostschweiz aus.
Wir müssen institutionalisiert auf die Bedürfnisse der Grenzregion hinwirken können und offene Grenzen haben.
Schaut man auf die grenzüberschreitenden Beziehungen der Ostschweiz zu den Nachbarländern, so zieht der Bericht drei Lehren aus der Covid-19-Pandemie:
- Erstens sollten die Verantwortlichen die Auswirkungen auf die regionalen Wirtschaftsstrukturen beim Krisenmanagement stärker berücksichtigen.
- Zweitens sollte die grenzüberschreitende Wirtschaft der Ostschweiz widerstandsfähiger werden.
- Drittens bestehe im institutionellen Kontext der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit Handlungsbedarf.
Die Studienverfasser empfehlen, die nationalen Ebenen in die grenzüberschreitende Zusammenarbeit einzubinden. Die Ostschweizer Regierungen wollen denn auch beim Bundesrat auf ihre spezielle Lage an der Grenze aufmerksam machen.
Die Anliegen der Grenzregionen sollten bei den bundesrätlichen Entscheiden vermehrt berücksichtigt werden.
Konkret wird die Studie an alle Ostschweizer Bundesparlamentarierinnen und -parlamentarier verschickt. Ausserdem steht ein Treffen mit der Ostschweizer Bundesrätin und Justizministerin Karin Keller-Sutter (FDP) an.
Der Bericht zeigt weiter, dass vor allem die wirtschaftlichen Verflechtungen insbesondere in der Ostschweiz deutlich grösser sind, als gemeinhin gedacht und dass diese zu einem Wohlstandsgewinn für den gesamten Grenzraum geführt haben. Deutschland, Österreich, Italien und das Fürstentum Liechtenstein sind wichtige Handelspartner der Ostschweiz. Die Ostschweiz ist mit ihren Nachbarländern deutlich enger verknüpft, als die anderen Schweizer Regionen.