Eine Woche ist vergangen, seit bei der Rückführung von Migranten nach Italien eine schwangere Syrerin ihr ungeborenes Kind verloren hat. In dieser Zeit hat das Schweizerische Grenzwachtkorps (GWK) eine interne Untersuchung eingeleitet. Nun hat das GWK der zuständigen Militärjustiz als unabhängige Instanz den Auftrag für eine Untersuchung erteilt.
Warum erst jetzt? Der Chef des Grenzwachtkorps, Jürg Noth, sagte der «Tagesschau», es könne nicht ausgeschlossen werden, dass während dieser Rückführungsaktion Fehler passiert sind. Welche Fehler, kann Noth noch nicht sagen, und seien Gegenstand der Untersuchung der Militärjustiz.
Keine konkrete Anhaltspunkte
Gemäss Noth waren insgesamt 15 Begleitpersonen an der Rücküberführung von Vallorbe nach Brig beteiligt. «Aber die Rollenklärung muss die Militärjustiz vornehmen. Und es gibt keine konkreten Anhaltspunkte, dass Fehler passiert sind. Aber ich kann sie nicht ausschliessen», sagt Noth.
Die Vorwürfe des Vaters des tot geborenen Kindes wiegen schwer. Er klagt in Italien wegen unterlassener Hilfeleistung und auch Beweismittelvernichtung. Noth bestätigt, dass der ganze Fall schwer wiege. «Das ist ein tragischer Fall, der mich sehr beschäftigt. Aber ich muss die Untersuchung in die Hände der Militärjustiz geben.»
«Die menschliche Würde steht zentral zur Debatte»
Generell seien seine Leute für allfällig auftretende Notfälle geschult. Die jüngeren Mitarbeiter haben einen umfassenden Samariterkurs mit allen Varianten der Nothilfe absolviert, sagt Noth. «Sie werden sensibilisiert, auf kranke oder behinderte Leute extrem Rücksicht zu nehmen. Das ist auch ein Gebot in unseren gesetzlichen Grundlagen für die Anwendung von Zwangsmassnahmen. Die Verhältnismässigkeit, die menschliche Würde steht dort zentral zur Debatte.»
Trotz der bis zu 3000 Rückführungen von Migranten ist dieser Fall der erste, bei dem es zu solch schwierigen Komplikationen mit tragischem Ausgang gekommen sei.
Vergangene Woche einem Mann das Leben gerettet
Der Chef des GWK erklärt, dass das Korps sehr oft mit Kranken konfrontiert ist. «Wir hatten letzte Woche Malaria-Fälle oder Hautkrankheiten. Aber generell in unserem täglichen Arbeitspensum haben wir immer wieder Notfälle. Letzte Woche haben wir einem Mann das Leben gerettet, der einen Aorta-Riss hatte. Er konnte mit Blaulicht und Sirene mit unserem Dienstwagen rechtzeitig in ein Spital geführt werden.»
Die Frage steht im Raum, was nach dem Vorfall mit den verantwortlichen Mitarbeitern des GWK passiert. Jürg Noth erklärt: «Ich habe bis heute auf Suspensionen verzichtet, weil ich zu wenig Anhaltspunkte habe für eine strafrechtlich relevante Tat. Ich weiss nicht, ob ein Fehler passiert ist. Es könnte sein. Die Untersuchung der Militärjustiz wird näheren Aufschluss bringen. Vorderhand bleiben meine Leute im Dienst.»