Sie gilt als eine der grössten Industriebrachen der Schweiz und drohte zum Sorgenkind einer ganzen Region zu werden. Jetzt dürfte das Attisholz-Areal in Riedholz nahe Solothurn seinen zweiten Frühling erleben: Der Regierungsrat hat grünes Licht gegeben für die Umnutzung des Fabrikareals nördlich der Aare, das so gross ist wie 80 Fussballfelder. Damit beginnt eine neue Ära.
Früher produzierten hier mehrere 100 Arbeiterinnen und Arbeiter aus Holz Cellulose für die Schweizer Karton- und Papierindustrie. In grossen Kesseln wurde unter anderem Holz ausgekocht. Und gekocht wird auch künftig wieder – im kleinen, familiären Rahmen: Aus den leeren und teils verlotterten Fabrik-Gebäuden sollen nämlich Wohnungen entstehen. Nicht nur ein paar hundert, sondern Wohnungen für bis zu 2500 Personen. Hinzu kommen rund 1000 Arbeitsplätze für Gewerbe und Dienstleistungen. Konkret sollen nun in Abständen von rund drei Jahren jeweils rund 200 Wohnungen gebaut werden.
In sich selbst funktionierendes Dorf
«Hier wird gearbeitet, gewohnt, gelebt und die Freizeit verbracht. Es wird ein in sich selber funktionierender Dorfteil», erklärt Patrick Senn. Er ist Projektleiter bei der Halter AG, welche das Areal gekauft und seither weiter entwickelt hat. Das Areal wurde bereits vor gut zwei Jahren «geöffnet», wie Senn das nennt. «Das Fabrikareal war über 100 Jahre lang nur dem Personal zugänglich. 2019 haben wir mit Restaurants und Kulturangeboten diesen Raum geöffnet und erlebbar gemacht.» Mit den neusten Plänen könnte die grösste Transformation, welche dieses Industriegelände je erlebt hat, Tatsache werden. 2045 soll das Projekt abgeschlossen sein.
Gegen den Entscheid des Solothurner Regierungsrates kann innert zehn Tagen Beschwerde gemacht werden. Mit Widerstand rechnet die Riedholzer Gemeindepräsidentin Sandra Morstein aber nicht. «2017 wurde die Anpassung des Teilleitbildes an der Gemeindeversammlung einstimmig genehmigt», so Morstein. Seither habe man Wert darauf gelegt, dass die Bevölkerung mit öffentlichen Mitwirkungen an der Entwicklung teilhaben kann und regelmässig informiert wird. So könne das Fabrikareal, das sich in rund 12 Minuten Gehdistanz des Dorfes befindet, Stück für Stück Teil von Riedholz werden.
Man schätzt es, ein cooles Areal zu haben, das auch Strahlkraft hat.
«Ich höre auch viel Positives aus der Bevölkerung. Man schätzt es, ein cooles Areal zu haben, das auch Strahlkraft hat, es schwingt auch bisschen Stolz mit», erklärt die Gemeindepräsidentin. Riedholz freue sich über das Projekt. Man habe stets ein gutes Einvernehmen mit der Halter AG und dem Kanton Solothurn gehabt und so sei das Projekt bis heute gut vorangekommen.
Südlich der Aare konnte das Areal bereits früher wieder belebt werden: Der amerikanische Biotechnologie-Konzern Biogen hat dort für 1,5 Milliarden Franken einen Produktionsstandort mit über 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gebaut.
Wenigstens geschieht hier nun etwas Neues, etwas Positives.
Somit könnte demnächst auch ein Schlussstrich unter ein unrühmliches Wirtschafts-Kapitel gezogen werden. 2008 ging die Zellulosefabrik zu. Die Schliessung war für die 440 Angestellten und die ganze Region ein Schock. Die Stellen konnten nicht mehr gerettet werden. «Dieser Ort war für uns eine Heimat, wir waren stolze Attishölzler», erklärt Daniel Flury, der dort bereits seine Lehre gemacht hatte und ausserdem als Leiter der Betriebskommission amtete. In diesen Tagen betrat er zum ersten Mal seit der Schliessung den Ort, an dem damals Tränen flossen. «Die Emotionen kommen wieder hoch. Aber wenigstens geschieht hier nun etwas Neues, etwas Positives.»