Für einmal hat die Neuenburger Regierung auf die jährliche Medienkonferenz zur Kriminalitätsstatistik verzichtet und stattdessen zum Thema Boudry eingeladen.
Das ist kein Zufall: Boudry mit rund 6000 Einwohnerinnen und Einwohnern steht mit der viel grösseren Stadt Neuenburg zuoberst in der Kriminalitätsstatistik des Kantons. Deshalb werde nun die Polizeipräsenz verstärkt, sagt Sicherheitsdirektor Alain Ribaux: «Die Polizei wird vor allem in den öffentlichen Verkehrsmitteln mehr Präsenz markieren.»
Es ist eine Reaktion darauf, dass ein Teil der Bevölkerung von Boudry die Nase gestrichen voll hat. Bei Anwohner Dastier Richner wurde schon viermal eingebrochen, wie er dem Westschweizer Fernsehen RTS unlängst sagte: «Wir sind offene und sympathische Menschen. Aber die Einbrüche traumatisieren uns stark. Das ist nicht akzeptabel und muss ernst genommen werden.»
Asylzentrum zeitweise total überlastet
Das Zentrum in Boudry war ursprünglich für 480 Asylbewerberinnen und Asylbewerber ausgelegt. Zeitwiese befanden sich aber über 800 Personen im Zentrum.
Probleme bereitet aber nur ein kleiner Teil der Asylbewerber, vor allem junge Männer aus Tunesien, Algerien und Marokko. Sie machen etwa drei Prozent der rund 6300 Personen aus, die im letzten Jahr das Bundesasylzentrum in Boudry passiert haben, bevor sie den Kantonen zugewiesen wurden.
SVP verlangte erfolglos Schliessung
Das Asylzentrum wurde denn auch im Neuenburger Parlament zum Thema. Niels Rosselet-Christ von der SVP verlangte die Schliessung des Zentrums, als Zeichen an den Bund: «Es zeigt, dass die Asylpolitik gescheitert und die lokale Bevölkerung nicht mehr sicher ist. Die Einwanderung muss drastisch reduziert, die Migrationspolitik moderater werden.»
Das Kantonsparlament stellte sich aber nicht hinter die Forderung der SVP. Vielmehr wurde einem Vorschlag der SP zugestimmt: Dieser verlangt vom Bund, das Zentrum wieder auf die ursprüngliche Zahl von 480 Personen zu begrenzen.
Neuenburg gleich mit mehreren Zentren
Romain Dubois, Präsident der Neuenburger SP, mahnte den Bund, seine Versprechen einzuhalten: «Die Eidgenossenschaft muss Wort halten. Ansonsten geht das Vertrauen verloren.»
Dieser Diskurs lässt aufhorchen, zumal sich im kleinen Kanton Neuenburg gleich mehrere Zentren des Bundes befinden: Neben dem grössten Bundesasylzentrum in Boudry gibt es im Neuenburger Jura auch das einzige Bundeszentrum für renitente Asylbewerber in der Schweiz.
Lage stabilisiert – weitere Schritte nötig
Die Kritik aus Neuenburg sei deshalb gerechtfertigt, sagt Sicherheitsdirektor Ribaux: «Wir tun viel für das Asylwesen in der Schweiz.» Der Bund hat denn auch gehandelt: Zuletzt hat die Zahl der Asylbewerber in Boudry abgenommen und lag zwischen 390 und 440 Personen. Die Lage hat sich also beruhigt.
Und dennoch hat Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider an ihrer Medienkonferenz angekündigt, dass für Boudry weitere Massnahmen geprüft würden: «Es geht nicht nur um die Sicherheit, sondern auch um mehr Prävention, Beschäftigung und Integration.» Ende April will sich die Justizministerin in Boudry selbst ein Bild vor Ort machen.