Die Öko-Welle ist ins Stocken geraten. Bei den Grünen stärker als bei den Grünliberalen. Das zeigen kantonale Wahlen in Zürich und Baselland. Warum kommen die Grünliberalen zurzeit besser an? Die Rundschau hat einen grünliberalen Unternehmer und eine grüne Lehrerin porträtiert.
Umweltschutz an erster Stelle – die Wirtschaft soll sich anpassen
Den Planeten retten beginne im Kleinen, ist Primarlehrerin Livia Knüsel überzeugt. Etwa mit dem Schneiden eines Baumes. So entstünde Lebensraum für Insekten. Knüsel engagiert sich im lokalen Natur- und Vogelschutzverein und kandidiert für die Grünen.
«Wenn wir unsere Umwelt nicht erhalten, dann haben unsere Kinder keine Zukunft mehr», findet Knüsel. Die Uhr stünde nicht auf fünf, sondern bereits auf drei vor zwölf. Themen wie Inflation, schwierige Wirtschaftslage und selbst Sicherheit würden in den Hintergrund treten: «Wenn wir unseren Planeten zerstören, müssen wir auch nicht mehr über Krieg reden.»
Umweltschutz habe absolute Priorität, so die Vollblut-Grüne Livia Knüsel. Deshalb brauche es auch strengere Leitplanken für die Wirtschaft. Denn das Streben nach Wachstum sei ein Problem.
Doch nicht nur die Unternehmen, auch die Menschen müssten reduzieren: «Die Frage ist: Was ist das kleinere Übel? Schränken wir unseren Komfort ein bisschen ein oder lassen wir unsere Umwelt im Stich? Wenn wir uns einschränken, haben wir dafür nachher noch eine funktionierende Umwelt», ist Knüsel überzeugt.
Mit starker Wirtschaft zu Energiewende und Umweltschutz
Bruno Rüegg sieht das anders. Als Unternehmer könne er nicht stagnieren, sondern müsse versuchen zu wachsen. Mittlerweile führt Rüegg fünf Apotheken und elf Drogerien, dazu betreibt er eine Versand-Apotheke. Nun will er für die GLP ins Kantonsparlament.
Grün und Wirtschaft sei kein Widerspruch. Im Gegenteil: «Wir müssen die Anreize richtig setzen, damit es sich lohnt, ökologisch zu wirtschaften.» Wachstum und Umweltschutz liesse sich vereinbaren, ist der liberale Bruno Rüegg überzeugt: «Für ein Wachstum braucht es zwar mehr Ressourcen, aber die kann man nachhaltig nutzen. Man darf die Zukunft nicht verbieten. Man darf nicht zu viel vorschreiben.»
Sein Credo: Leben und leben lassen. Die Menschen würden sich nicht einschränken lassen, auch Rüegg nicht. Zu viele Vorschriften seien auch für die Wirtschaft nicht gut.
Es brauche Eigeninitiative, damit die Wirtschaft auch in Zukunft funktioniert – und eine starke Wirtschaft sei wichtig, nur so könnten wir Klimawende und Umweltschutz finanzieren: «Ich bin völlig liberal. Aber ich denke auch grün. Ich sehe andere Wege zu einem ähnlichen oder gleichen Ziel wie die Grünen.»
Grüne unter Druck, GLP mit Potenzial
Damit trifft die GLP den Nerv der Zeit. Das haben die Wahlen in Zürich und vor allem Baselland gezeigt, sagt Politologe Lukas Golder. Für ihn ist die GLP denn auch eine Favoritin für die eidgenössischen Wahlen.
«Ihr Programm ist zwar immer noch nicht so richtig greifbar, aber man spürt in welche Richtung die Partei tendiert. Sie haben ein Milieu von sehr modern und sehr städtisch denkenden Leuten, vielleicht auch die Gewinnerinnen und Gewinner der Globalisierung. Dieses Milieu wächst.»
Bei den Grünen sei es anders, so Golder: «Sie haben ein klassisches Milieu von sehr umweltbewussten und aufs Lokale bezogenen Leuten. Die Grünen haben es schwieriger, im Wahlkampf neue Milieus anzusprechen.»
Anders als vor vier Jahren ist das Klima weniger präsent, die Themenpalette ist breiter – der Wahlkampf in den nächsten Monaten wird spannend.