SRF News: Was spricht für die Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen?
Silvia Schenker: In unserer Gesellschaft hat Arbeit einen hohen Stellenwert, wer im erwerbsfähigen Alter ist und keine Arbeit hat, trägt einen Stempel. Als Sozialarbeiterin erlebe ich immer wieder, dass viele Menschen trotz grosser Bemühungen und Unterstützung keine Arbeit finden. Die Betroffenen müssen frustriert und enttäuscht zur Kenntnis nehmen, dass man sie nicht will oder nicht braucht. Die zunehmende Digitalisierung macht die Situation nicht besser: Sie wird eher dazu führen, dass der Mensch noch weniger gebraucht wird. Das bedingungslose Grundeinkommen ist eine Antwort auf diese Entwicklung.
Das bedingungslose Grundeinkommen gibt Antwort auf aktuelle gesellschaftliche Veränderungen.
Jean Christophe Schwaab: Für die Initiative spricht das Argument, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen die Verhandlungsposition der Arbeitnehmenden stärken würde. Zudem setzt sich die Initiative mit der wichtigen Frage nach den Konsequenzen der Digitalisierung auf die Arbeitsplätze auseinander. Ich bin da allerdings nicht so pessimistisch und denke, dass es andere Lösungen als das bedingungslose Grundeinkommen gibt.
Was spricht gegen die Initiative?
Silvia Schenker: Die Finanzierung des bedingungslosen Grundeinkommens wäre sicher eine riesige Herausforderung. Ausserdem bleibt die Situation für Menschen unklar, die aufgrund einer Krankheit, Behinderung oder anderen Gründen nicht in der Lage sind, zusätzlich zum Grundeinkommen Geld mit einer Arbeit zu verdienen. Die Initiative zeigt nicht auf, wie deren Existenzbedarf gedeckt werden kann.
Die Initiative wird keines ihrer Versprechen halten können.
Jean Christophe Schwaab: Die Initiative wird keines ihrer Versprechen halten können. Sie enthält kein Finanzierungsmodell und deshalb gibt es keine Garantie, dass das bedingungslose Grundeinkommen zu einer Reichtumsverteilung beitragen würde. Ausserdem befürchte ich, dass die zu erwartende Senkung der Löhne eine Umverteilung zu Gunsten der Arbeitgeber bewirken würde: Weniger Lohn für dieselbe Arbeitsleistung bedeutet mehr Gewinn für die Arbeitgeber! Auch sind 2500 Franken pro Monat kein genügendes Einkommen und es besteht die Gefahr, dass das Parlament gar einen kleineren Betrag beschliessen würde.
Die Initiative in Kürze
Laut Umfragen wird die Initiative deutlich abgelehnt. Was muss geschehen, damit aktuelle Fragen, wie die nach der Verteilung des Reichtums und dem Wert der Arbeit in unserer Gesellschaft, nach einem Nein nicht unbeantwortet bleiben?
Silvia Schenker: Ich hoffe sehr, dass neben den Initianten auch andere Kreise über diese Fragen nachdenken und diskutieren. Es wäre wünschenswert, dass auf politischer Ebene die Diskussion über die Verteilung von Reichtum, den Wert der Arbeit oder den Platz von Menschen ohne Arbeit in unserer Gesellschaft weitergeht.
Jean Christophe Schwaab: Es ist richtig und dringend nötig, Ungleichheiten und die Reichtumskonzentration zu bekämpfen. Es braucht Lösungen gegen die steigende Unsicherheit in der Arbeitswelt. Die Lücken im Sozialversicherungsnetz müssen geschlossen und die Sozialversicherungen gestärkt werden. Auch gilt es Working Poors mittels familienergänzenden Zulagen zu stärken und die Rechte der Arbeitnehmer zu verbessern.
Die Fragen wurden schriftlich beantwortet.