Impfen ist wichtig für die Gesundheit. Diese Botschaft verbreiten die Gesundheitsbehörden regelmässig in ihren Kampagnen. Doch was nützt die Botschaft, wenn bei einigen Impfstoffen Lieferprobleme bestehen?
Beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) sagt man es ganz direkt und unverblümt:
«Ja, die Situation bei der Lieferung von Impfstoffen ist seit einiger Zeit unbefriedigend.» Sie ist es umso mehr, weil von den Lieferengpässen auch Impfstoffe betroffen sind, die für die Grundimmunisierung von Kleinkindern wichtig sind, etwa die Impfung gegen Starrkrampf.
Ausweichen auf andere Wirkstoff-Kombinationen
Das hat Konsequenzen, wie Daniel Koch erklärt. Er leitet die Abteilung für übertragbare Krankheiten beim BAG. «Häufig müssen die Kinderärzte auf andere Impfstoffe ausweichen, die eine Komponente mehr oder weniger beinhalten, oder auch gewisse zeitliche Verschiebungen vornehmen.» Das heisst, sie können die Kinder nicht nach dem üblichen Schema impfen. Das sei natürlich alles andere als ideal, so Koch.
Er bestätigt damit einen Bericht im heutigen «Tages-Anzeiger». Für die Lieferschwierigkeiten bei Impfstoffen gebe es vor allem zwei Gründe. Einer ist, dass weltweit mehr Kinder geimpft werden. «Das ist ja eigentlich sehr erfreulich und das begrüssen wir auch», so Koch. «Leider hat die Produktion nicht Schritt halten können.» Der andere Grund ist die Konzentration bei den Herstellern.
«Die Impfstoffproduktionsorte werden immer grösser», erklärt Koch. Gibt es dann bei einer Produktionsstätte ein Problem, hat das umso grössere Auswirkungen – weil es praktisch keine Ausweichmöglichkeiten oder alternative Lieferkanäle gibt.
Bund hat Pflichtlager bisher nicht füllen können
Um besser auf Lieferengpässe bei Impfstoffen reagieren zu können, hat der Bund bereits vor einiger Zeit Massnahmen ergriffen. Dank einer Meldepflicht erfährt das BAG frühzeitig, wenn Impfstoffe knapp werden. Das verschafft den Zuständigen in der Schweiz immerhin etwas mehr Zeit, um auf die Situation zu reagieren.
Ausserdem hat der Bund vor einiger Zeit den Aufbau eines Pflichtlagers für Impfstoffe beschlossen. Koch räumt aber ein, dass diese Massnahme bisher noch nicht gegriffen habe – «weil wegen der Knappheit einfach immer zu wenig Impfstoffe auf dem Markt waren, um das Pflichtlager aufzufüllen».
In Nordeuropa kaufen Staaten, nicht Spitäler ein
Das BAG ist bereits dabei, weitere Massnahmen zu prüfen, zum Beispiel, ob der Bund in Zukunft die Impfstoffe zentral einkaufen soll, statt dies den Ärzten und Spitälern zu überlassen. In einigen europäischen Ländern ist das bereits heute der Fall, etwa in Nordeuropa.
Diese Beispiele schaue man sich jetzt genau an, so Koch. «In Europa lassen viele Länder nicht den freien Markt spielen, sondern der Staat kauft ein. Wir versuchen, herauszufinden, ob das Schweizer System darunter leidet. Das wissen wir noch nicht und sind es am Abklären.»
Gespannt warten jetzt alle auf die Ergebnisse dieser Abklärungen. Doch wenn die Schweiz einen Systemwechsel einleiten möchte und die Impfstoffe künftig zentral beschaffen will, ist auch die Politik gefordert. Dazu bräuchte es nämlich eine Gesetzesanpassung. Möglicherweise werden die jetzigen Engpässe diesbezüglich etwas in Bewegung bringen.