«Junge Frauen lassen sich von Typen immer noch viel zu viel gefallen», sagt Deborah, eine 20-jährige Berufsschülerin. «Der Grund sind Verlustängste. Wenn ein Mann in einer Beziehung derart toxisch ist, dass er alle Kollegen der Frau vertrieben hat und sie nur noch ihn hat – und er ihr dann droht, sie zu verlassen: Das macht verdammt Angst.»
Deborah besucht zusammen mit ihren Berufsschulkolleginnen Lena und Chiara die Ausstellung «Stärker als Gewalt». Die letzten drei Wochen war die Wanderausstellung im Berufsbildungszentrum Olten. Sie tourt seit ein paar Jahren durch die Schweiz, konzipiert wurde sie von den Kantonen Bern und Freiburg.
Es löst sich nicht von alleine, wenn man keine Hilfe sucht.
Hilfe holen ist nicht einfach. Die 22-jährige Chiara: «Einige Menschen haben die Hoffnung, dass es irgendwann gut wird. Man getraut sich nicht, nach Hilfe zu fragen aus Angst, dass es sonst noch schlimmer wird.» Ihre 16-jährige Kollegin Lena betont, wie wichtig dies aber wäre: «Es löst sich nicht von alleine, wenn man keine Hilfe sucht», zum Beispiel bei den Eltern.
Die Ausstellung ist aufgebaut wie eine Wohnung, mit Kinderzimmer, Küche und Eltern-Schlafzimmer. Der Grund: «Häusliche Gewalt passiert in der Regel in den eigenen vier Wänden.» Das sagt Magdalena Küng, Leiterin Koordinationsstelle Häusliche Gewalt des Kantons Solothurn. «Die Wohnung ist leider regelmässig auch ein Ort, der eben kein sicherer Ort ist, sondern ein Ort, wo viele schlimme Sachen passieren.» Darüber wolle man informieren, und zeigen, dass man Hilfe suchen kann.
Erst später, als sie mit blauen Flecken auftauchten, habe ich es realisiert.
Berufsschülerin Deborah hat selber in einer Beziehung Gewalt erlebt. Sie kennt das Thema aber auch von Mitschülerinnen: «Als Kind hatte ich Mitschülerinnen, die gesagt haben: ‹Wenn ich schlechte Noten heimbringe, dann kriege ich von meinem Vater wieder etwas.› Ich habe damals aber nicht realisiert, dass damit Schläge gemeint sind. Erst später, als sie mit blauen Flecken auftauchten, habe ich es realisiert.» Ihren beiden Kolleginnen war das Thema weniger präsent. Die 16-jährige Lena: «Ich wusste, dass es das gibt. Präsent war das Thema aber nicht.»
Die drei jungen Ausstellungsbesucherinnen fanden schockierend, dass in der Schweiz jede zweite Woche eine Person wegen häuslicher Gewalt stirbt. Für die 16-jährige Lena ist das ein Zeichen dafür, «dass man viel zu wenig über die Hilfsangebote weiss. Denn viele leiden darunter: Frauen, Männer und Kinder.»
Darum sei es wichtig, dass Schülerinnen und Schüler über häusliche Gewalt informiert würden, sagt Berufsschülerin Deborah: «Man sollte das Thema früher behandeln und nicht erst in der Berufsschule.» Deborah hat in der Ausstellung dazugelernt: «Ich wusste von der Polizei und kannte Telefon 147. Die Opferhilfestellen waren aber neu für mich.»
Die Ausstellung im Berufsbildungszentrum Olten will informieren und eine Plattform für Diskussionen bilden. Dies sei bis jetzt gelungen, sagt Nicole Wyss, Sozialarbeiterin bei der Beratungsstelle Opferhilfe Kanton Solothurn. Auch bei reinen Männerklassen hätten alle mitdiskutiert. Dabei sei auch die Frage aufgekommen, ob es auch Schutzunterkünfte für Männer gebe. «Von häuslicher Gewalt sei aber eine deutliche Mehrheit von Frauen betroffen.»