Vor 10 Jahren hatten sie definitiv genug: Die Schweizer Hausärzte gingen auf die Strasse. Mit der Demonstration verlangten sie mehr Ansehen und mehr Lohn. Seither ist viel passiert; der Lohn wurde korrigiert, Aus- und Weiterbildung verbessert, mehr Medizinstudentinnen und -studenten wollen in einer Hausarzt-Praxis arbeiten.
Ein erfolgreiches Beispiel von neuen Hausärzten ist im bernischen Konolfingen zu beobachten. Der 38-jährige Sven Streit arbeitet dort Teilzeit seit 2 Jahren in einer Praxis und ist Professor am Berner Universitäts-Institut für Hausarztmedizin. Er und seine Frau, ebenfalls Hausärztin, wollen ab Juni nun die Praxis übernehmen.
Lage ist besser geworden, aber nach wie vor ausbaufähig
Den Vorbesitzer freuts: «Für mich ist das wie ein Sechser im Lotto. Ich kenne viele Kollegen, 70 Jahre alt oder mehr, die Mühe haben, einen Nachfolger zu finden», erzählt Sebastian Birrer, der mit 63 Jahren in Pension gehen wird.
Der Hausärztemangel ist in der Schweiz aber noch immer Tatsache. Beim Berufsverband Hausärzte Schweiz schätzt man, dass ohne weitere Massnahmen im Jahr 2025 5000 Hausärzte fehlen werden.
Trotzdem ist die Situation besser als noch vor 10 Jahren, als die Hausärzte protestiert hatten. In der Zwischenzeit hat die Politik nämlich gehandelt.
Wenn wir Hausärzte wollen, dann ist eine Praxisassistenz das probate Mittel, um das zu erreichen.
Der Bundesrat änderte das Tarifsystem für die Löhne der Ärzteschaft ab. So verdienen Spezialisten nun etwas weniger, Hausärzte etwas mehr.
Auch Aus- und Weiterbildung wurden verbessert.
So unterstützen die Kantone, hier der Kanton Bern, sogenannte Praxisassistenz-Programme finanziell. Konkret heisst das, dass Assistenzärzte einen Teil ihrer Weiterbildung bei Hausärzten machen können.
Im Kanton Bern gibt es dieses Modell seit 10 Jahren. Über 160 Personen haben es bisher absolviert. Die Auswertung der Assistenzen hat gezeigt, dass die meisten in der Praxis arbeiten gehen, in der sie die Assistenz absolviert hätten, erzählt Sven Streit. Die Praxis sei häufig dort, wo die Praxisassistenz absolviert wurde. «Weil wir im Kanton Bern auch entscheiden, wo eine Praxisassistenz stattfindet, können wir somit Einfluss darauf nehmen, wo es neue Hausärzte gibt.»
«Der Hausärztemangel ist noch nicht überwunden»
Für den Professor ist daher klar: «Wenn wir Hausärzte wollen, dann ist eine Praxisassistenz das probate Mittel, um das zu erreichen.» Auch an den Universitäten gibt es mittlerweile Veränderungen. So werde heute in der Hausarztmedizin stärker geforscht, was sicherlich von Vorteil ist, so Streit. «Aus diesen Gebieten kommt dann die Evidenz und die Forschung um aufzuzeigen, was gute Hausarztmedizin ist und dass wir regelmässig mit Spezialisten zusammenarbeiten.»
Nebst der Forschung an Universitäten brauche es ebenfalls erfahrene Mentoren, die Assistenzärzte bis zum Praxiseinstieg begleiten. Dafür müssten Unis, Bund, Kantone und Gemeinden zusammenarbeiten, so der 38-Jährige.
«Der Hausärztemangel ist noch nicht überwunden», warnt Sven Streit. Auch wenn man auf gutem Weg sei. So gaben im letzten Jahr in einer Umfrage unter Medizinstudierenden mehr als die Hälfte an, sie könnten sich den Beruf Hausarzt vorstellen; oder seien sogar bereits sicher, Hausarzt zu werden.