Wie kamen Sie dazu, so eine Bibliothek in Kosovo zu bauen?
Als ich in den 90er Jahren in die Schweiz kam, war alles fremd, die Sprache, die Kultur, der Lebensstandard. Ich habe also nichts verstanden. Was ich aber schnell begriffen habe, sind das System und auch die Methoden in der Schweiz. Sie haben mir geholfen, meine Zukunft zu gestalten.
Die Jungen in Kosovo haben diese Möglichkeit nicht. Die Gebäude der Schulen sind nicht einladend. Die Fassaden sind kaputt, sie haben keine Atmosphäre. Ich wollte diesen Kindern einen neuen Raum geben, wo lesen können.
Wenn wir früh genug den Kindern eigenständiges Denken und Handeln beibringen, dann wählen sie ihren Berufsweg anders. Sie handeln kritischer und eigenständiger.
Wie muss man sich so eine Bunateka vorstellen?
Ich habe den Bibliothkesraum von der eigentlichen Schule gelöst und auf dem Schulhof platziert. Ich habe ihn also dorthin gestellt, wo die Kinder auch spielen. Das Buch ist ein Teil ihrer Freizeit, es ist etwas, das sie berührt und sie brauchen können. Die Bunateka bietet ein grosses Spektrum an unterschiedlichen Büchern. Es hat klassische Literatur, moderne Literatur, es Bücher über Kunst, über die Gesellschaft, über Technologie, über Autos, über Musik. Wir bieten also jedem etwas.
Sie exportieren ihre positive Erfahrung mit Büchern und Bildung?
In der Schweiz bilden Kinder schon früh eigene Interessen und haben mehr Möglichkeiten, einen geeigneten Berufsweg zu wählen. Im Kosovo wählen nur wenige den Weg über eine Lehre. Die meisten gehen ins Gymnasium und studieren. Wenn sie da herauskommen, sind sie aber nicht bereit für den Arbeitsmarkt. Wenn wir früh genug den Kindern eigenständiges Denken und Handeln beibringen, dann wählen sie ihren Berufsweg anders. Sie handeln kritischer und eigenständiger. Die Schweiz ist im Bereich Bildung ein gutes Modell. Da können wir etwas abschauen.
Wenn nachfolgende Generationen profitieren sollen, müssen wir Ideen ins Land bringen.
Warum schicken Sie nicht einfach Geld?
Geld ist etwas für heute, für Morgen muss man etwas mehr bringen. Wenn nachfolgende Generationen profitieren sollen, müssen wir Ideen ins Land bringen. Die Bunateken sind ein solches Projekt, das zukunftsgerichtet ist und hilft, eine Gesellschaft aufzubauen.
Sie selbst haben abwechslungsweise in der Schweiz und in Kosovo gelebt und gearbeitet. Wie ist ihr Verhältnis zu Kosovo?
Ich lebe in der Schweiz als Kosovare und in Kosovo als Schweizer. Ich lebe einige kosovarische Traditionen, ich fühle mich auch etwas wohler mit der albanischen Sprache. Doch ich habe auch schweizerisch gelebt und gearbeitet. Ich bin aufgewachsen zwischen diesen beiden Welten und habe gelernt, in beiden Welten zu leben. Ich habe für beide Welten Gefühle, ich bin beides.
Das Gespräch führte Aleksandra Hiltmann.