Mit der Volksinitiative «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe» will die CVP die Benachteiligung Verheirateter bei Steuern und Sozialversicherungen aufheben. Eine Benachteiligung, bei der Verheiratete jährlich 860 Millionen Franken zu viel bezahlen und deren Verfassungswidrigkeit das Bundesgericht bereits 1984 festgestellt hat.
Ueli Maurer vertritt Gegenposition offensichtlich contre coeur
«Weil das Parlament sich nicht auf ein Modell einigen kann, mit dem es diese Ungerechtigkeit beseitigen will, braucht es unsere Initiative», sagt der Zuger CVP-Nationalrat Gerhard Pfister in der «Abstimmungs-Arena». Finanzminister Ueli Maurer vertritt die Gegenposition derweil sichtlich halbherzig.
Der Bundesrat sei vom Parlament zur Ablehnung genötigt worden, lässt er gleich zu Beginn der Debatte durchblicken: «Zuerst war der Bundesrat eigentlich für die Initiative, aber das Gesetz über parlamentarische Rechte sagt, dass der Bundesrat die Haltung des Parlamentes vertreten und damit die Initiative ablehnen muss.»
Grundsatzentscheid zur Individualbesteuerung
Grundsätzlich gebe es im Parlament den Konsens, dass die Diskriminierung Verheirateter beseitigt werden müsse, erklärt der Finanzminister. Bloss seien sich die Parteien uneins, ob dafür die Individualbesteuerung oder ein Splitting-Modell der richtige Weg sei.
Die Annahme der Initiative würde diesbezüglich Klarheit schaffen und die Individualbesteuerung für Verheiratete ausschliessen. Insofern geht es nach Meinung von Ueli Maurer am 28. Februar auch um eine gesellschaftspolitische Frage: «Die eine Seite will die Ehe zwischen Mann und Frau stärken, die andere Seite pflegt mehr das Individuum.»
Mehr Gerechtigkeit oder Mogelpackung?
Grosse Uneinigkeit herrscht in der «Abstimmungs-Arena» darüber, ob die Initiative denn nun bei der Bundessteuer tatsächlich mehr Gerechtigkeit schüfe.
Nach Ansicht von SP-Nationalrat Beat Jans ist die Benachteiligung von Ehepaaren ohnehin zu relativieren. Dank Ehegattenabzug und Splitting-Modellen in allen Kantonen seien heute gerade einmal noch 80'000 von 1,7 Millionen Ehepaaren steuerlich benachteiligt. Die Zahl der benachteiligten Unverheirateten sei ungleich höher und stiege bei einem Ja weiter. Dagegen profitierten nur vier Prozent von der Initiative, und zwar reiche Ehepaare.
In der Tat käme diese insbesondere dem Mittelstand zugute, räumt SVP-Nationalrätin Verena Herzog ein. Dieser sei in den letzten Jahren aber eigentlich auch immer zu kurz gekommen. Mit ihrer Ablehnung wollten die Initiativgegner die Reichen diskriminieren, ergänzt Gerhard Pfister. Konkret durchgerechnete Beispiele belegten zudem, dass heute keineswegs nur besserverdienende Ehepaare benachteiligt würden.
Mehr Gerechtigkeit auch bei der AHV?
Dies gelte überdies nicht nur für die direkte Bundessteuer, sondern auch für die AHV: «Heute erhalten Ehepaare eineinhalb Renten, Konkubinatspaare dagegen zweimal eine volle AHV. Das ist ungerecht», kritisiert Pfister.
Für Rentner gehe das Gesamtpaket heute in etwa auf, entgegnet Finanzminister Maurer: «Ehepaare bekommen zwar nicht zwei Einzelrenten, dafür ist die Absicherung beispielsweise mit den Witwenrenten besser.»
Streitpunkt Homo-Ehe
Bezüglich der Stellung gleichgeschlechtlicher Paare zeigen sich in der «Abstimmungs-Arena» zwei zentrale Streitpunkte. Einerseits geht es grundsätzlich um die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare durch die explizite Definition der Ehe als «Lebensgemeinschaft von Mann und Frau» im Initiativtext. Andererseits um deren Verknüpfung mit Steuer- und Sozialversicherungsfragen.
Letztere sei undemokratisch, moniert Beat Jans. Wer die Aufhebung der Heiratsstrafe im Sinne der CVP befürworte, gleichzeitig aber die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare ablehne, könne dies nicht differenziert zum Ausdruck bringen. Dem widerspricht Gerhard Pfister mit Verweis auf das Bundesamt für Justiz, das keinen Verstoss gegen das Gebot der Einheit der Materie festgestellt habe.
Und auch der Diskriminierungsvorwurf ist nach Meinung des CVP-Nationalrates ein Nebenschauplatz. Gebe es einen gesellschaftlichen Konsens über die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare, seien die Interessenvertreter aufgerufen, dazu eine Initiative zu lancieren. Noch gelte es aber, die Ungerechtigkeiten unter den heute gegebenen Verhältnissen zu beheben. Mit einem Nein blieben diese auch bei einer allfälligen späteren Einführung der Homo-Ehe für alle Verheirateten bestehen.