Neun zusätzliche Stellen befristet auf drei Jahre hat der Aargauer Regierungsrat im Stellenplan für die Aargauer Staatsanwaltschaft vorgesehen. Der Grund: Die Staatsanwaltschaft hat viel zu tun mit Betrugsverfahren in Zusammenhang mit Corona-Hilfskrediten. «Wenn man die Covid-19-Betrugsverfahren seriös abklären will, dann ist das aufwändig. Man muss dem Geld nachgehen», sagt Adrian Schulthess, Leiter der Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau.
Ein grosses Problem sei, dass die Buchhaltungen der Unternehmen regelmässig fehlten und dass das Geld oft bar bezogen worden sei. «Für uns ist es oft schwierig nachzuvollziehen, wo das Geld hin ist.»
Über 1000 Betrugsfälle offen
Frühling vor einem Jahr: Shutdown. Viele Firmen mussten von einem auf den anderen Tag schliessen oder drastische Umsatzeinbrüche hinnehmen, es ging ums nackte Überleben. Der Staat half schnell und unbürokratisch. Zwischen Ende März 2020 und Ende Juli 2020 konnten die betroffenen Firmen vom Bund verbürgte Überbrückungskredite beantragen, im Internet über ein Formular. Kontrolliert wurde damals jedoch nicht gross, denn es musste schnell gehen, die Firmen mussten liquide bleiben.
Die Statistik zeigt: Knapp 140'000 Firmen nahmen das Hilfsangebot des Bundes an, über 14 Milliarden Franken an Überbrückungskrediten zahlten die Banken insgesamt aus. Die Statistik zeigt aber auch, dass nicht alle ehrlich waren. Viele Firmen haben zu Unrecht Gelder erhalten, wie sich später herausstellte. Über 200 Missbrauchsfälle in der ganzen Schweiz mit einer Deliktsumme von 18 Millionen Franken sind bereits abgeschlossen. 1100 Fälle sind derzeit offen, es geht um 150 Millionen Franken.
Und aus dem Aargau heisst es: «Dies ist nur die Spitze des Eisbergs.» Der Leiter der kantonalen Staatsanwaltschaft rechnet damit, dass noch viel mehr Fälle dazukommen. Denn die Kredite sind unverzinst und müssen noch nicht amortisiert werden. «Das Ausmass werden wir erst sehen, wenn die Rückzahlung der Kredite ansteht», prophezeit Adrian Schulthess.
Oft seien es sehr kleine Firmen, welche möglicherweise zu Unrecht Hilfskredite bezogen hätten. Auffällig sei, dass die im Verdacht stehenden Firmen oftmals aus der Baubranche stammten. «Das erstaunt, weil diese Branche im Gegensatz zu anderen, wie beispielsweise der Gastronomie, nicht unmittelbar durch den Lockdown betroffen war.» Allerdings gebe es in der Baubranche einfach sehr viele Kleinstfirmen mit einer kurzen Lebensdauer von zwei bis vier Jahren. «Es interessiert sie nicht, ob sie einen Kredit jemals zurückzahlen können.»
Die meisten Strafanzeigen im Aargau wurden übrigens von Banken eingereicht, die aufgrund von Kontoauszügen feststellten, dass die Umsatzangaben von Firmen nicht stimmen konnten. Auch Aargauer Konkursämter zeigten Firmen an, die schon vor der Pandemie in finanzielle Schieflage gerieten. «Sie holten den Kredit noch schnell ab, bevor sie Konkurs gingen.»
Wie viel des erschlichenen Geldes der Staat jemals wieder sehen wird, dazu wagt der Leiter der Aargauer Staatsanwaltschaft keine Prognose. Adrian Schulthess hofft aber, dass das Kantonsparlament die zusätzlichen Stellen für die Ermittlungen bewilligt. «Wenn wir dem Geld vertieft nachgehen können, steigen die Chancen.»