In keiner anderen Schweizer Stadt ist die Sozialhilfequote so hoch wie in Biel. Die Quote ist zwar erneut gesunken: von 9.9 Prozent 2022 auf 9.3 Prozent 2023. Trotzdem führt Biel das Ranking der Städte noch immer deutlich an, wie der aktuelle Bericht der Städteinitiative Sozialpolitik zeigt.
Quote seit sieben Jahren rückläufig
Immer weniger Bielerinnen und Bieler seien auf Sozialhilfe angewiesen, betont Thomas Michel, Leiter der städtischen Abteilung Soziales. Die Sozialhilfequote in Biel sei nun das siebte Jahr in Folge zurückgegangen. «Dieses Jahr sogar um 0.6 Prozent. Das ist viel und keine Selbstverständlichkeit. Als ich von den Zahlen erfahren habe, habe ich eine Flasche Wein geöffnet.»
Biel bekämpft seit Jahren die hohe Sozialhilfequote. Zum Beispiel mit dem Pilotprojekt «Fokus Arbeit», welches die Stadt 2021 lanciert hat. Der Ansatz: Austausch, Kontakte knüpfen, wieder ins Handeln kommen. Sozialhilfebezüger treffen sich regelmässig in kleinen Gruppen, um über ihre Erfolge und Misserfolge auf dem Arbeitsmarkt zu berichten.
Stadt zieht durchzogene Bilanz
«Vom grössten Projekt seit Jahrzehnten» in der Bieler Sozialdirektion war 2021 die Rede. Kostenpunkt: 2.8 Millionen Franken. Nun fällt die Bilanz des dreijährigen Pilotprojektes durchwachsen aus.
Es haben weit weniger Personen am Projekt teilgenommen als erwartet. «Es ist schon enttäuschend, wenn jemand trotz Einladung nicht kommt», räumt Projektleiter Andreas Guggisberg ein. Auch, weil der administrative Aufwand gross sei. «Wir haben alles versucht, die Menschen zu motivieren. Wir haben Briefe geschickt, angerufen und die Hürden möglichst tief gehalten.»
Warum haben viele Betroffene nicht teilgenommen? Das habe verschiedene Gründe, so Andreas Guggisberg. «Mangelnde Sprachkenntnisse zum Beispiel, gesundheitliche Einschränkungen oder auch eingeschränkte Verfügbarkeit, zum Beispiel als alleinerziehende Person.»
Rund 700 Sozialhilfebezügerinnen und -bezüger haben an den Gesprächsrunden teilgenommen, 500 Personen letztlich das Angebot bis zum Schluss besucht und abgeschlossen. Ursprünglich hatte die Stadt mit fast 3000 Teilnehmenden gerechnet.
Skepsis überwunden, Job gefunden
Trotz weniger Teilnahmen als erwartet betonen die Verantwortlichen die Erfolge des Projekts: «Die Teilnehmenden konnten ihre persönlichen Ziele deutlich vorantreiben», schreibt die Stadt Biel in einer Mitteilung. Beschäftigungsstatus, Erwerbseinkommen und Sozialhilfebedarf hätten in den Monaten nach Programmabschluss in die gewünschte Richtung gezeigt.
Ein Beispiel dafür ist die Teilnehmerin Jana Hagedorn. Die junge Frau ist wegen psychischer Probleme in der Sozialhilfe gelandet. «Am Anfang war ich skeptisch, auch weil ich nicht wusste, was mich in den Ateliers erwartet. Aber das hat sich schnell gelegt», sagt sie.
Die Gespräche mit der Gruppe hätten ihr geholfen, eine Routine aufzubauen und Selbstvertrauen zu gewinnen. «Ich habe ab November nun eine Stelle und im Herbst nächstes Jahr kann ich eine Lehre als Informatikerin anfangen.»
Alles in allem ist die Stadt überzeugt vom Projekt: Wie sie mitteilt, wird der Ansatz von «Fokus Arbeit» nun in Biel weiterverfolgt und in ein längerfristig umsetzbares Format überführt.