Der Schnee ist im Goms im Kanton Wallis immer noch da. Die Region war wegen des vielen Schnees eine Zeit lang von der Aussenwelt abgeschnitten. Kein Auto, kein Zug konnte hinein oder hinaus. Mittlerweile ist die Strasse wieder offen – die Lawinengefahr aber bleibt.
Raphael Imsand ist 32-jährig, Bergführer und Chef des Lawinenwarndienstes Goms. Er behält die Situation im Auge. Es ist keine einfache Aufgabe. Auf seinen Schultern lastet viel Verantwortung. Was er sagt, bestimmt das Handeln der Region. Er war derjenige, auf dessen Rat hin die Strasse ins Goms gesperrt wurde.
Etwa 1.3 Meter Neuschnee hat es hier letzte Woche gegeben. Raphael Imsand kämpft sich vorsichtig den Berg hoch, auf Tourenski. Mitten im Hang bleibt er stehen, steckt eine Rammsonde zusammen und macht sich bereit, mit Schaufeln ein Schneeprofil zu graben. Jetzt kann er sich den Schnee anschauen. Besonders interessiert ihn, was sich unter dem Neuschnee von letzter Woche befindet.
«Je tiefer ich gehe, umso härter ist es, mit der Schaufel hier reinzustechen», sagt Raphael Imsand. Jetzt ist es Zeit, die Schaufel wegzulegen. Mit den Fingern tastet er weiter. Das Auge allein reicht nicht. Er muss den Schnee fühlen. «Manchmal schliesse ich die Augen, damit ich die feinen Unterschiede spüre», sagt Imsand. Auch sein Bauch sei ein guter Ratgeber.
Schnee ist nicht gleich Schnee
Die Schneekristalle, die Raphael Imsand entdeckt, fühlen sich an wie Sand. Die Schicht ist gefährlich. Sie funktioniert wie ein Kugellager: Der frisch gefallene Neuschnee gleitet auf dieser unteren Schicht ab. Mehrere Lawinen seien so ausgelöst worden.
Bei schönem Wetter geht Imsand selbst in den Schnee und schaut sich die Situation an. Bei schlechtem Wetter sieht er nichts. Dann ist er auf andere Hilfsmittel angewiesen, auf Messstationen beispielsweise. Sie messen Wetter, Wind, Schneehöhe. Auch die Schallwellen von Lawinen werden gemessen und auf einer Karte eingetragen.
Es hat einige Lawinen gegeben letzte Woche. Eben aufgrund dieser Daten hat Imsand die Strasse sperren lassen. «Der Druck ist riesig», sagt er. Die Einheimischen seien sich diese Situation gewohnt, die Feriengäste eher nicht. Sie würden deshalb nervös. «Es sind rund 100 Telefonate, die ich an solchen Spitzentagen erhalte», sagt Imsand.
Zeit dafür hat er allerdings nicht. Er berät diejenigen, die auf seine Expertise wirklich angewiesen sind. Zum Beispiel auch das Schweizerische Lawinenforschungsinstitut SLF. Imsands Beobachtungen sind Grundlage für das Lawinenbulletin der Region.
Fast immer Lawinen im Kopf
Ein Leben ohne Lawinen gibt es für den 32-jährigen nicht. Aber er versuche trotzdem eine Winterlandschaft zu geniessen. «Man muss den Schalter manchmal umlegen. Und sich einfach freuen ab dem vielen schönen Schnee.»