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«Hopp Schwiiz» «Im Vergleich zu anderen Ländern eint die Schweizer Nati»

Wenn die Schweiz spielt, wird die Landschaft rot-weiss. Die Menschen feuern ihre Mannschaft an und hoffen, ja, brennen für einen Sieg. Doch ist diese Fankultur auf nationaler Ebene neu oder war sie schon immer so ausgeprägt? Sporthistoriker Michael Jucker ordnet ein.

Michael Jucker

Michael Jucker

Sporthistoriker

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Der Sporthistoriker ist Co-Leiter des FCZ-Museums und Projektleiter der digitalen sporthistorischen Plattform «Swiss Sports History» der Universität Luzern. Jucker studierte Geschichte an den Universitäten Zürich und York.


SRF News: Trifft es zu, dass die Schweizer Fankultur weniger verhalten ist, als auch schon?

Michael Jucker: Es ist so, dass eine grössere Euphorie vorhanden ist, als auch schon. Das hängt damit zusammen, dass diese Europameisterschaft (EM) jetzt im Nachbarland stattfindet. So können viel mehr Menschen die Spiele schauen gehen. Wenn man die EM mit der Weltmeisterschaft (WM) in Katar vergleicht, gibt es verschiedene Gründe, wieso die Flussballbegeisterung nun grösser ist. Die WM damals war für Viele zum einen politisch, zum anderen auch für die Anreise nicht opportun. 

Wie würden Sie die Kultur des Nati-Supports in der Schweiz grundsätzlich beschreiben?

Die Nationalmannschaft ist sehr divers. Es gibt viele Spieler, die einen Migrationsgeschichte mitbringen. Das spiegelt sich auch bei den Fans wider. Wenn die Schweiz beispielsweise gegen Albanien spielt, wird der Event zu einem gemeinsamen Volksfest, zusammen mit den Menschen in der Schweiz, die dort ihre Wurzeln haben. Das war früher weniger der Fall.

Im Vergleich zu anderen Ländern, eint die Schweizer Nati die Menschen heute.

Damals dominierte noch der Wunsch, dass in der Schweizer Nati nur Menschen spielen sollten, die schon seit Generationen in der Schweiz leben. Das hat sich aber gewandelt. Im Vergleich zu anderen Ländern eint die Schweizer Nati die Menschen heute.

Wie entstand die Fankultur auf Nati-Ebene in der Schweiz?

Nationalmannschaftsspiele konnten die Leute schon immer begeistern. Schon in den 1920er-Jahren oder während und zwischen den Weltkriegen sorgten gewonnene Spiele für Begeisterung. Bis in die 1990er-Jahre war aber der Rösti-Graben viel grösser. Dieser war sowohl in der Mannschaft, als auch unter den Fans spürbar und führte zu Spaltungen. Durch die zunehmende Diversität und gleichzeitigen und vor allem konstanten Erfolge der Nati wurden diese Gräben geschlossen. Es entstand eine positive Grundhaltung.

Gerade früher waren die Besucher von Schweizer Nationalspielen ältere Herren.

Eine grosse Welle der Euphorie breitete sich 1994 durch die Qualifikation für die WM in den USA aus. Es war das erste Mal seit Langem, dass sich die Schweizer-Nati für eine WM qualifizieren konnte. 2006 breitete sich erneut grosse Euphorie aus, als die WM in Deutschland stattgefunden hat. Dadurch bewegten sich mehr Schweizer Fan-Massen an die Spiele.

Und doch gibt es einen klaren Unterschied zwischen den Lokalfanszenen und den Nati-Fans. Woran liegt das?

Die Fankultur der Schweizer Länderspiele hat sich gewandelt, die Gesänge und das Schwingen von Fahnen weiterentwickelt. Es geht ein bisschen in die Richtung der Fankultur, die man sonst auf lokaler Ebene von den Ultras kennt, aber viel kommerzieller. Also Sponsoren, die Fahnen spenden, der Verband, der überprüft, ob alles konform abläuft, und neuerdings werden auch Fan-Märsche organisiert – das war früher nicht so. Das kommt zwar aus der Ultrakultur, ist aber eine abgeklatschte Version davon und auch stark kommerzialisiert.

Schweizer Fussballfans im Stadion mit Schweiz-Banner bei der UEFA Euro 2024.
Legende: Die Euphorie für die Schweizer Nationalmannschaft scheint grösser als sonst. Das sieht auch Sporthistoriker Michael Jucker so. Gründe seien unter anderem die Diversität der Schweizer Nati. IMAGO / Nordphoto

Der Unterschied liegt in der Basis der Fans. Früher waren die Besucher von Schweizer Nationalspielen ältere Herren. Heute hat sich das zwar gewandelt. Aber die Ultrakultur auf lokaler Ebene ist in der Schweiz eine Jugendkultur und setzt sich deshalb anders zusammen. Die Art Unterstützung mit Megafon am Nati-Match oder auch von einer Grossbank gesponserten Choreo finden viele der Lokalfanszenen befremdlich.

Das Gespräch führte Selma Knecht.

Video
Archiv: Ohne Bewilligung: Nati-Fans marschieren durch Frankfurt
Aus UEFA EURO 2024 Clips vom 23.06.2024.
abspielen. Laufzeit 21 Sekunden.

Tageschau, 24.06.2024, 12:45 Uhr ; 

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