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Hunderte Betroffene Illegal Adoptierten aus Sri Lanka soll endlich geholfen werden

  • Hunderte als Kleinkinder illegal aus Sri Lanka in der Schweiz Adoptierte wissen auch nach Jahrzehnten nicht, wer ihre leiblichen Eltern sind.
  • Bei der Herkunftssuche unterstützen sie nun Bund und Kantone finanziell.
  • Eine entsprechende Vereinbarung wurde am Montag unterzeichnet und gilt im Rahmen eines Pilotprojekts bis Ende 2024.

Justizministerin Karin Keller-Sutter, der St. Galler Regierungsrat Fredy Fässler als Präsident der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) und Sarah Ineichen, Präsidentin von «Back to the Roots», der Interessengemeinschaft Adoptierter aus Sri Lanka, unterzeichneten in Bern die Vereinbarung.

Das dreijährige Pilotprojekt im Rahmen der Migrationspartnerschaft der Schweiz mit Sri Lanka läuft rückwirkend ab dem 1. Januar dieses Jahres bis zum 31. Dezember 2024, wie es in einer gemeinsamen Mitteilung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) und von «Back to the Roots» heisst.

Sarah Ineichen spricht.
Legende: Sarah Ineichen, Betroffene und Präsidentin von «Back to the Roots»: «Diese Vereinbarung ist ein sehr starkes Zeichen für uns. Sie symbolisiert für uns Hoffnung und gibt uns eine Perspektive.» Keystone

Die Unterstützung durch Bund und Kantone richtet sich nach dem tatsächlichen Aufwand und kommt direkt den adoptierten Personen zugute. Pro Jahr stehen maximal 250'000 Franken zur Verfügung. Die Kantone unterstützen laut der Mitteilung das Angebot von «Back to the Roots» im Inland, während das EJPD gewisse Tätigkeiten im Ausland finanziert.

Schweizer Behörden schauten weg

Bund und Kantone schauten von den 1970er- bis in die 1990er-Jahre hinein systematisch weg, als fast 900 Kinder aus Sri Lanka grösstenteils illegal in der Schweiz adoptiert wurden. Das zeigt ein Bericht der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) vom Februar 2020.

Der Bundesrat war über die Missstände durch diplomatische Kanäle informiert, unternahm aber nichts, um den Menschenhandel zu stoppen. Und die kantonalen Adoptionsbehörden drückten beide Augen zu. Auch die Schweizer Botschaft in Sri Lankas Hauptstadt Colombo sei über all die Jahre regelmässig mit einer grossen Zahl von Adoptionsfällen konfrontiert gewesen, da sie Visa für die sri-lankischen Kinder ausstellte, so die ZHAW-Studie.

Der Geschäftsträger Claude Ochsenbein habe die Bundesbehörden ab 1981 ausdrücklich vor Kinderhandel auf Sri Lanka gewarnt.

Weisse Erzeuger in «Baby-Farmen»

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Die Adoptierten waren meist erst wenige Wochen alte Babys oder Kleinkinder. Sie kamen aus sogenannten «Baby-Farmen» in Sri Lanka, wo auch weisse Männer zur Zeugung von möglichst hellhäutigen Kindern «eingesetzt» wurden. Schweizer Eltern zahlten 5000 bis 15'000 Franken pro Kind. Die sri-lankischen Mütter bekamen im Gegenzug wenige Dollar.

Die Vermittler in Sri Lanka, darunter Anwältinnen, verdienten mit dem Kinderhandel dagegen fürstlich – oft mehr als ein Minister ihres Landes. Es kam auch vor, dass Frauen lediglich vorgaben, die Mütter der zur Adoption freigegebenen Kinder zu sein – sogenannte «Acting Mothers». Nicht selten waren die Dokumente gefälscht.

Ende 2020 schliesslich beschloss der Bundesrat aufgrund des ZHAW-Berichtes und aufgrund eines eigenen Berichtes mehrere Massnahmen. Der Bund und die Kantone würden die Adoptivkinder auf der Suche nach ihrer Herkunft unterstützen, kündigte Justizministerin Keller-Sutter damals an.

Karin Keller-Sutter spricht an einer Pressekonferenz.
Legende: Das Wissen über die eigene Herkunft ist ein verfassungsmässiges Recht. Justizministerin Karin Keller-Sutter: «Es ist die Verantwortung und auch der Wille, dieses verfassungsmässige Recht so weit wie möglich herzustellen und diesem auch zum Durchbruch zu verhelfen. Keystone

Eine Expertengruppe solle eingesetzt werden, welche die heutige Organisation, die Zuständigkeiten und die Verfahren bei Adoptionen überprüft.

Bedauern des Bundesrates

Auch Keller-Sutter sprach damals von Schwachstellen in der heutigen Gesetzgebung und von Fälschungen. Trotz gefälschten Papieren und der fehlenden Zustimmung der leiblichen Mütter, seien Kinder damals zur Adoption freigegeben worden. Die Justizministerin sprach in diesem Zusammenhang den Betroffenen und ihren Familien im Namen des Bundesrates ihr Bedauern aus.

Allerdings stossen die Behörden und «Back to the Roots» im Fall von falschen oder fehlenden Angaben in den Dokumenten bei ihrer Suche an Grenzen. Denn laut Sarah Ineichen von «Back to the Roots» stimmen bei 95 Prozent der Betroffenen die Unterlagen nicht. «Wenn in den Unterlagen weder der Name der adoptierten Person noch der Mutter korrekt ist, ist eine Suche unmöglich.» Entsprechend würden sie die Erwartungen von Betroffenen etwas dämpfen müssen.

SRF 4 News, 16.5.2022, 15 Uhr ; 

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