«Hier kommt eine Bodenwelle, jetzt Füsse gut heben» – René Scheidegger kommentiert laufend, was als Nächstes kommt. Sei dies eine Wurzel im Waldboden, ein herabhängender Ast, ein entgegenkommender Hund oder ein Richtungswechsel. Seine Jogging-Partnerin Beatrice Acuña ist auf klare Ansagen angewiesen. Die 62-Jährige ist komplett blind.
Miteinander verbunden sind Beatrice Acuña und René Scheidegger durch ein schwarzes Band. So haben sie ihre Hände nah beieinander. Die Arme schwingen sie synchron und laufen im Gleichschritt. «Ich starte mit dem linken Bein, mein Partner mit dem rechten», sagt Acuña. «So joggen wir zusammen im gleichen Tempo.» Die sportliche Betätigung tue ihr gut. «Das ist für mich ein guter Ausgleich.»
Früher sei sie nie joggen gegangen, sagt Beatrice Acuña. Dank «Blind-Jogging» konnte sie vor sieben Jahren damit anfangen. Der gemeinnützige Verein bringt sehende Guides und blinde oder sehbehinderte Menschen zusammen. Beatrice Acuña joggt mit vier verschiedenen Guides – im Schnitt zweimal in der Woche.
Dabei sind auch Freundschaften entstanden. Sie sei jede Woche gespannt, was sich im Leben ihrer Guides gerade abspiele, sagt Acuña, die sich auch als Präsidentin der Sektion Zürich im Verein engagiert.
Gegenseitiges Vertrauen sei das A und O, sagen beide. Die blinde oder sehbehinderte Person müsse sich zu hundert Prozent auf ihren Guide verlassen können. «Sie können sich ja eigentlich nicht verletzen. Wenn sie aber etwas an ihrem Körper berührt, erschrecken sie», sagt Guide René Scheidegger, der sich frühpensionieren liess und vor sieben Jahren mit «Blind Jogging» angefangen hat.
«Bei meiner ersten Jogging Tour mit einer blinden Person habe ich fast in die Hosen gemacht.» Doch Angst haben müsse man nicht, sagt der heute erfahrene Guide. Man gewöhne sich schnell daran.
Mehr als nur Sport
Circa 170 Guides und blinde oder sehbehinderte Personen sind im Verein «Blind Jogging» in der ganzen Schweiz aktiv. Geht es nach Beatrice Acuña dürften es aber noch mehr sein. Vor allem blinde und sehbehinderte Menschen wolle sie motivieren, «Blind-Jogging» auszuprobieren.
Nicht nur mir macht das Blind-Jogging Spass, auch meinem Guide.
Für sie sei es nämlich mehr als Sport. Es gehe auch um Sichtbarkeit: «Auch blinde Menschen können joggen. Die Leute sehen, dass wir es lustig haben zusammen. Nicht nur mir macht das Blind-Jogging Spass, auch meinem Guide.»