Erkrankung auf dem Vormarsch: Erstmals seit 2020 sind seit Ende August wieder Fälle der Blauzungenkrankheit in der Schweiz aufgetreten. Insgesamt 19 Kantone sind betroffen, so das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) auf seiner Internetseite. Laut einer Liste vom 30. September ist der Kanton Jura mit rund 150 Tierhaltungen am stärksten betroffen. Aber auch im Thurgau und im Aargau sind die Zahlen besorgniserregend.
Virus ist für Menschen ungefährlich: Die Krankheit wird von einer Mücke übertragen, die infizierte Tiere sticht und dann wiederum das nächste Tier ansteckt. Menschen sind nicht gefährdet, wie Hans Wyss, BLV-Direktor, gegenüber SRF sagt. «Menschen können auch nicht von aus infizierten Tieren gewonnen Lebensmittel angesteckt werden.» Für Tiere sei dies anders: «Es ist eine Krankheit, die man ernst nehmen muss.»
Thurgauer Bauer fühlt sich ohnmächtig: Ein betroffener Schafzüchter ist Franz Eugster. Er ist Präsident des Schafzuchtvereins Oberthurgau, Mitte-Kantonsrat und führt laut eigenen Angaben einen mittelgrossen Betrieb. Von zwanzig Tieren, die Symptome der Blauzungenkrankheit gezeigt hätten, seien ihm fünf verendet. Eugster fühlt sich ohnmächtig gegen die Seuche: «Wenn ich am Morgen zu meinen Schafen komme, habe ich Angst, dass wieder eines Symptome zeigt.» Er habe einen direkten Bezug zu seinen Tieren, wie er sagt: «Bei uns hat jedes Tier einen Namen. Wenn ich sehe, wie meine Tiere leiden und ich nichts dagegen machen kann, geht mir das nahe. Das ist wirklich hart.»
Bauernverband ist besorgt: Michel Darbellay, Geschäftsleitungsmitglied beim Schweizerischen Bauernverband, sagt, man hätte sich wegen der Entwicklung im Ausland hierzulande auf einige Fälle eingestellt. «Aber so eine massive Ausbreitung in der Schweiz, das hätten wir nicht erwartet.» Die Gründe dafür seien vielfältig. Darbellay nennt die epidemiologische Situation im Ausland, deshalb seien auch viele Grenzkantone betroffen. Ausserdem begünstige der Sommer mit hohen Temperaturen eine Ausbreitung von Mücken.
Gegen die Krankheit kann man wenig tun: Darbellay nennt Vorsichtsmassnahmen, wie beispielsweise direkt gegen Mücken vorzugehen mit Schutzmitteln für die Tiere. Ansonsten gebe es kaum wirksame Massnahmen. «Darum zählen wir auf eine Impfung», so Darbellay. Gegen den Serotyp 8 gebe es bereits ein Vakzin. Gegen den neuen, aggressiven Serotyp 3 sei jedoch noch kein Impfstoff in der Schweiz zugelassen (siehe Box). In der EU zwar auch nicht, aber trotzdem verwendeten Zuchtbetriebe dort einen Impfstoff – wegen einer Ausnahmeklausel.
Ganz anders in der Schweiz: Swissmedic hat bereits Mitte September die Hoffnungen auf eine rasche Impfung gegen den Serotyp 3 der Blauzungenkrankheit gedämpft. Man habe noch kein Zulassungsgesuch für einen Impfstoff erhalten. In der Schweiz fehle die Rechtsgrundlage dafür, einen noch nicht zugelassenen Impfstoff einzusetzen, hielt Swissmedic fest.
Beteiligte fordern so schnell wie möglich eine Impfung: Viele Betroffene kritisieren, dass noch keine Impfung in der Schweiz gegen den Serotyp 3 zugelassen wurde. Darbellay vom Bauernverband erklärt, man sei mit Herstellern sowie mit Swissmedic in Kontakt. Ausserdem wolle man erreichen, dass die gesetzliche Grundlage für eine Ausnahmeklausel bei Notfallsituationen angepasst werde.
Mitarbeit: Detlev Munz, Rolf Dietrich, Julia Dürr, Oliver Schären