Mit der zweiten Impfdosis zuwarten, damit so viele Menschen rasch die erste Dosis kriegen können. Was Grossbritannien bereits beschlossen hat, war in der Schweiz bislang tabu. Nun aber schlägt die zuständige Expertengruppe der Covid-Taskforce (Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Version des Artikels hiess es irrtümlicherweise, dass es sich um einen Vorschlag der gesamten Taskforce handle) eine Kehrtwende vor: «Man sollte jetzt möglichst viele Leute mit einer ersten Dosis impfen», sagt Christian Münz gegenüber der «Rundschau».
Der Professor an der Universität Zürich leitet die Expertengruppe Immunologie innerhalb der Covid-Taskforce. Studien hätten gezeigt, dass der Grundschutz der ersten Impfung bis zu drei Monate bestehen bleibe, sagt Münz. «Man kann somit das Risiko eingehen, die zweite Impfdosis um bis zu drei Monate zu verzögern».
Empfehlung ans BAG
Das Bundesamt für Gesundheit BAG empfiehlt die zweite Impfung rund vier Wochen nach der ersten Dosis. Die Expertengruppe schlägt nun vor, bis zu drei Mal länger zuzuwarten – solange der Impfstoff knapp bleibt. In den nächsten Tagen wollen die Wissenschafter diese Empfehlung dem BAG und der Eidg. Kommission für Impffragen EKIF unterbreiten.
Sie dürfte umstritten sein: Noch am Diensttag hatte EKIF-Präsident Christoph Berger die Idee vor den Medien verworfen. Er äusserte unter anderem Bedenken, dass Lücken im Impfschutz entstehen könnten. Taskforce-Vertreter Münz hält diese Befürchtung für unbegründet: Studien würden ein anderes Bild zeigen. Es gebe bislang auch keine Hinweise, wonach eine verzögerte zweite Impfung die Bildung von impf-resistenten Viren beschleunigen könnte.
Impfzahlen verdoppeln
Mit einer Verzögerung der zweiten Dosis könnten auf einen Schlag doppelt so viele Menschen wie geplant einen ersten Impfschutz erhalten, argumentiert Immunologe Christian Münz. Dieser Nutzen ist für ihn gross genug, um vom bisherigen Impfplan abzuweichen.