Gegenüber «Puls» und «10vor10» bricht Max Aebi sein Schweigen. Dies, nachdem ein Journalistenkonsortium mit Beteiligung des Tamedia-Recherchedesks publik machte, dass er Teil eines Medizinskandals sein soll.
Aebi war Chef des wissenschaftlichen Beirats der britischen Firma Ranier und war in die Entwicklung von «Cadisc-L» involviert: Eine vermeintlich revolutionäre Bandscheibenprothese, die sich aber im Körper verschiedener Patienten zersetzte oder verschob. Laut Aebi seien gemäss seinem Wissensstand seine Patienten davon aber nicht betroffen.
Nur ein Anwendungsfehler?
Aebi sagt, das Produkt sei in den aufgedeckten Fällen wohl nicht sachgerecht eingesetzt worden. «Das Material ist aus Polyurethan, das ist sehr empfindlich an der Oberfläche. Und wenn man die Oberfläche nicht sorgfältig schützt während der Operation, dann kann sich diese Polyurethan-Oberfläche verletzen. Und dann kommt es zu einer Interaktion mit dem Gewebe», so Aebi.
In dutzenden Fällen musste die Prothese in Trümmern wieder entfernt werden. Konfrontiert mit dem entsprechenden Bild-Material, sagt Aebi: «Ich weiss nicht, wie man das fertigbringt. Aber: Das ist sicher nicht schön. Das ist traurig zu sehen.»
Der Deutsche Arzt Karsten Ritter-Lang, der «Cadisc-L»-Reste entfernte, kritisiert anders als Aebi das Produkt: «Ein ganz klares Desaster. So etwas darf mit einem Implantat nicht passieren.»
Umstrittene Affenbilder
Mit den «Implant Files» wurden Tierversuchsbilder publik, die nahe legen sollen, dass bereits erste Affenversuche Mängel am Produkt offenbarten.
Dazu Aebi: «Das, was man hier zeigt, das war der erste Affe, bei dem man diese speziell konstruierte Prothese verwendet hatte. Dann sagte man, diese Prothese ist nicht gut, die muss man anders adaptieren. Und nachher ist eine ganze Serie an Affen gekommen, bei denen das Problem eigentlich nicht auftrat. Von dem wird einfach hier nicht geredet.»
Angeblich von nichts gewusst
Nach den Tierversuchen startete Ranier eine klinische Studie am Menschen. Kurz danach wurde das Produkt zertifiziert, 2010 kam es auf den Markt. 2014 zog es Ranier zurück.
Am Berner Salem-Spital implantierte Aebi in dieser Zeitspanne die Prothese sieben Patienten. Er sagt, er habe Nachkontrollen durchgeführt: «Während dieser Nachkontrollen ist nie etwas aufgefallen, das nicht sein sollte. Den Patienten ist es zum Teil sehr gut gegangen. Eine Patientin hat zwei Kinder geboren nach dieser Operation. Bis heute habe ich nichts gehört.»
SRF fragt, ob Aebi nicht in der Verantwortung stand, das Produkt «Cadisc-L» fortlaufend zu überwachen, nötigenfalls einzugreifen oder zu warnen. «Dass die Patienten, dass es da schon Probleme gegeben hat, das habe ich in der Zeitung erfahren», sagt der Belegarzt.
Aebi schaut sich Bilder von Betroffenen an, die höllische Schmerzen erlitten. Auf die Frage, welche Verantwortung er trage, meint Aebi: «Wenn ich die Patienten sehe als Arzt und als Mensch, tut mir das sehr leid, denn ich lebe mit meinen Patienten. Aber wenn man es lediglich rechtlich betrachtet, glaube ich, dass ich meine Pflicht erfüllt habe. Ich habe das gemacht, was ich damals machen konnte, und ich kann jederzeit dazu stehen. Ich glaube nicht, dass ich mich da aus der Verantwortung ziehen will oder kann.»